Fesseln des Herzens
Impotenz mit einer Sitzung auf glühenden Kohlen zu kurieren, in die ich ein Kräutergemisch geworfen habe«, sagte sie herausfordernd und sah, wie ihr Gegenüber die linke Braue hob. Offenbar war er willens, auf ihr Spiel einzugehen.
»Was machst du mit den hoffnungslosen Fällen?«
»Ich versuche trotzdem, ihnen irgendwie Linderung zu verschaffen.«
»Würdest du mich ebenfalls auf ein Kohlebecken setzen, wenn ich dich wegen solcher Beschwerden aufsuchte?«
Aimee lachte auf. »Mylord, Ihr habt keine Beschwerden dieser Art. Der Beweis liegt in der Wiege oben in der Burg. Ich würde sogar sagen, dass Ihr mittlerweile wohler ausseht als am Tag der Geburt. Die Tatsache, dass Ihr Vater seid, scheint Euch neue Lebenskraft gegeben zu haben.«
»Meinst du, es ist allein der Umstand der Vaterschaft, Aimee?« Seine Augen wurden schmal, und ein wildes Begehren flammte darin auf.
»Es mag sein, dass Euer Weib …« Die Schäferin verstummte, denn sie las die wahre Antwort in seinem Gesicht. Der Jäger in ihm schien erwacht zu sein.
Ravencrofts Atem ging nun heftiger, und erneut streckte er die Hand nach ihr aus. Er streichelte ihr über die Schulter und den Hals. Die Wärme seiner Haut ließ Aimee vergessen, was sie eigentlich hatte sagen wollen.
Ein Ruf zerstörte den Moment jäh. Es war die Stimme von Henry Fellows, die in den dunklen Tiefen des Ganges erklang.
»Mylord! Hier seid Ihr.«
Für einen Augenblick meinte Aimee einen Anflug von Zorn in den Augen des Barons aufblitzen zu sehen. Dann ließ er von ihr ab und wandte sich um.
»Was gibt es, Henry?«
»Eure Gemahlin verlangt nach Euch. Ihr Vater ist zurückgekehrt, Ihr dagegen nicht, also hat sie mich ausgeschickt.«
Ravencroft lachte auf. »Bin ich denn ein kleiner Junge, dass sie sich Sorgen um mich macht?«
»Sie ist immer noch mitgenommen von dem Vorfall, Mylord.«
»Solch große Reichweite haben Woodwards Bolzen nun auch wieder nicht. Gewiss wird es einige Tage brauchen, bis ihm eingefallen ist, wie er sich an mir rächen kann. Das weißt du genauso gut wie ich.«
Der Hauptmann nickte. »Gewiss, Mylord, aber um Mylady nicht zu beunruhigen, solltet Ihr nun besser mitkommen.«
Der Baron nickte und drehte sich nach Aimee um. Der Platz, an dem sie eben noch gestanden hatte, war leer. Sie hatte sich diskret zurückgezogen, beinahe so, als sei sie auf Engelsflügeln davongeschwebt.
Ravencroft bedauerte dies, denn die Unterredung hatte gerade angefangen, ihn zu amüsieren. Aber er war nun mal Nicole angetraut und hatte die Pflicht, sich um seine Gemahlin zu kümmern.
In der Dunkelheit, damit niemand sie sah, lehnte Aimee gegen einen Baum. Ihr Atem ging heftig, und ihre Beine zitterten. Die Berührungen des Barons hatten sie in tiefe Verwirrung gestürzt, und was noch viel unangenehmer war: Sie musste befürchten, dass Fellows sie dabei beobachtet hatte.
Ein guter Leibwächter folgte seinem Herrn auf Schritt und Tritt, und vielleicht war es ja so, dass er auch über die Tugend seines Gebieters wachte. Sie hatte keine Ahnung, wie weit Ravencroft gegangen wäre, aber ihr Gefühl sagte ihr, dass sie ohne die Störung gewiss die Grenze des Schicklichen überschritten hätten.
Das durfte auf keinen Fall geschehen!
Dieser Mann entstammt einem höheren Stand, außerdem hat er ein Weib und ein Kind, für das er sorgen muss, versuchte sie sich einzuhämmern. Du darfst es auf keinen Fall so weit kommen lassen, dass er dich verführt.
Mit Grauen erinnerte sie sich an den Fall eines Weibes aus Brackshire, das seinen Gatten mit einem Knecht betrogen hatte. Sie war dafür zusammen mit ihrem Liebhaber am Pranger ausgepeitscht worden, weil man sie der Hurerei und des Ehebruchs für schuldig befunden hatte. Anschließend hatte man beide verjagt, und niemand wusste, was aus ihnen geworden war.
Dieses Schicksal wollte sie nicht erleiden. Ravencroft war ihr Herr, und niemand wusste, wie wankelmütig er war. Wenn er sie als Hure von seinem Lehen vertrieb, hätte sie gar nichts mehr und würde elend zugrunde gehen. Ein hoher Preis für ein paar leidenschaftliche Stunden in seinen Armen.
Aimee schloss die Augen und atmete tief durch. Wird mein Wille reichen, ihn zurückzuweisen?, fragte sie sich. Der Baron machte sie schwach, und sie wusste nicht, woher sie die Stärke nehmen sollte, ihm zu widerstehen. Aber irgendwie musste sie es schaffen, allein wegen ihres eigenen Seelenheils – und wegen ihrer Ehre.
Eine Weile blieb sie noch bei dem Baum, den Rücken fest
Weitere Kostenlose Bücher