Fesseln des Herzens
bedeuten, dass Henry alles aufs Spiel setzen musste, was er bisher erreicht hatte. Vielleicht sogar sein Leben.
Aber ein Teil in ihm, jener, der Nicole geküsst hatte, sagte ihm, dass diese Frau es wert sei, alles zu tun, was sie verlangte. Auch wenn es unmöglich erschien.
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7 . Kapitel
Sommer 1287
A imee schmiegte sich fest an den Hals des Rappen, mit dem sie über die satten Wiesen vor der Burg jagte. Grassoden und Erde spritzten von seinen Hufen auf, und ein paar davon trafen ihren Rücken, doch das kümmerte sie nicht. Der Wind spielte mit ihrem Haar und ließ ihre roten Strähnen wie Bänder flattern.
Die Schäferin liebte die warme Luft auf ihrer Haut und genoss diesen Moment der Freiheit. Während sie sich den Bewegungen des Pferdes vollkommen überließ, schweiften ihre Gedanken zurück.
Seit nunmehr drei Monaten diente sie Ravencroft als Kinderfrau. Wie es ihre Abmachung vorsah, durfte sie zwischendurch nach ihren Schafen sehen, musste sich aber umgehend zurück in die Burg begeben. Für die Zeit ihrer Abwesenheit bei der Herde hatte man kurzfristig einen Burschen gefunden, der sich um die Tiere kümmerte, doch Aimee fühlte sich wohler, wenn sie selbst von Zeit zu Zeit nach dem Rechten sah.
Auch diesmal konnte sie sich nur schwer von ihren Schafen und dem Turm trennen. Ihr Rosenbusch stand mittlerweile in voller Blüte, und ein wenig vermisste sie das rosafarbene Leuchten der Blüten und das Summen der Bienen, die auf der Suche nach süßem Nektar waren.
Sicher, auch der Burggarten stand nun in voller Blüte, und dort gab es ebenfalls Bienen und Hummeln. Dennoch hatte Aimee nur selten Zeit, sich an der Schönheit der Natur zu erfreuen.
Sobald die junge Schäferin das Tor passiert hatte, erwarteten sie zahlreiche Pflichten. Sie unterstützte die Amme und sorgte für die Gesundheit von Mutter und Kind. Nebenbei zogen auch andere Bewohner der Burg die Hebamme zu Rate, wenn es um ihre Gesundheit ging. Soldaten beispielsweise, die sich bei ihren Übungen verletzt hatten, oder Mägde, die Schwierigkeiten mit ihrer monatlichen Blutung hatten. Obendrein erlaubte der Baron den Schwangeren aus dem Dorf, zu ihr zu kommen und ihre Dienste in Anspruch zu nehmen, soweit es sie nicht von ihren täglichen Pflichten abhielt.
Diese zusätzliche Arbeit ließ Aimee zuweilen todmüde ins Bett sinken, aber sie hatte Freude an ihrer Aufgabe. Daher störte es sie auch nicht, wenn die Dorffrauen sie mit zahlreichen Fragen überhäuften.
Schließlich tauchte die Burg vor ihr auf. Der trutzige Wehrturm, der Lieblingsort des Barons, wie die Bediensteten erzählten, reckte sich wie eine dicke Nadel in das Himmelsblau. Mittlerweile war ihr dieser Anblick so vertraut wie ihr eigener, gegen diesen deutlich weniger prachtvoll wirkenden Turm.
Aimee drückte dem Rappen die Hacken in die Flanken und preschte durch das hohe Steintor auf den Burghof. Die Wachen nickten ihr grüßend zu, und ein paar Hühner stoben auseinander, um sich vor den stampfenden Hufen in Sicherheit zu bringen. Während die Schäferin aus dem Sattel stieg, gewahrte sie das Gesicht des Barons hinter den Scheiben des Fechtsaales. Sein Blick traf sie wie ein Pfeil. Das Blut schoss ihr in die Wangen, und ihre Hände waren auf einmal eiskalt.
Seine Macht über sie schien mit jedem Tag größer zu werden. Schon kurz nachdem sie ihre Arbeit aufgenommen hatte, war das der Fall gewesen. Sobald sie ihn sah, begann ihr Herz zu pochen, und obwohl sie es sich nicht anmerken ließ, ersehnte sie seinen Blick und insgeheim auch seine Berührung. In den Nächten ging die Phantasie zuweilen mit ihr durch, und sie wünschte sich Dinge, für die sie jeder Geistliche verdammt hätte. In diesen Augenblicken war sie froh, dass ihr Kopf keine Fenster hatte, durch die ein jeder hineinschauen konnte.
Tagsüber und nach außen hin wahrte Aimee jedoch respektvolle Distanz. Es war nicht gut, wenn sie ihre Zuneigung zum Baron allzu offen zeigte. Die anderen Frauen auf der Burg beäugten sie seit der Taufe genau, denn auch sie waren verwundert, dass ihr Herr eine einfache Schäferin zur Patin seines Kindes erkoren hatte. Aimee wollte ihnen keinen Anlass zum Tratschen geben.
Beim Klang hastiger Schritte wandte sie sich um. John kam mit gewichtiger Miene auf sie zu.
»Aimee, die Baronin wünscht Euch unverzüglich zu sprechen.«
Die Schäferin nickte, und nachdem sie dem Mann die Zügel des Rappen überlassen hatte, lief sie zur Burg. Als sie den Gang betrat, der zu den
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