Fesseln des Schicksals (German Edition)
sein.
Leider wurde sie als Nächstes von William Burton aufgefordert.
Alles für das Glück meiner Schwester, dachte sich Charlotte und nahm Williams Hand. Es stellte sich heraus, dass er zwei linke Füße hatte und überhaupt kein Gefühl für den Takt. Obwohl Charlotte konzentriert auf die ungelenken Bewegungen ihres Partners achtete, um nicht hinzufallen, erkannte sie Jeremias, der am Rand der Tanzfläche aufgeregt mit ihrem Vater sprach.
Sofort begriff sie, dass etwas nicht in Ordnung war. Dann entfernte sich ihr Vater plötzlich eiligen Schrittes. Auch Hortensia war inzwischen auf die Männer aufmerksam geworden, blickte zu Charlotte hinüber, und gemeinsam rannten sie zu Jeremias.
«Was ist los?», fragte Charlotte ängstlich. «Wo ist mein Vater hingegangen?»
«Die Herrin», brachte Jeremias keuchend heraus. «Es ist etwas Schreckliches passiert, Herrin Katherine hatte einen Unfall.»
«Einen Unfall?», fragte Hortensia jetzt erschrocken. «Geht es ihr gut?»
Jeremias senkte den Kopf.
«Sprich, verdammt», sagte Charlotte, die fast die Geduld verlor.
Jeremias hob die Augen und sah Charlotte an. «Es tut mir leid!», sagte er schluchzend. «Herrin Katherine geht es sehr schlecht. Sie will mit Ihnen reden. Sie müssen sich beeilen!»
***
Als die Kutsche vor dem Haus anhielt, wartete Latoya schon in der Tür. Ihre Augen waren voller Tränen.
Das Pferd ihres Vaters stand bereits dort.
Schnell sprang Charlotte aus der Kutsche und lief zu der Sklavin. «Lebt sie?», fragte sie Latoya, die nicht aufhören konnte zu wimmern. «Lebt sie?», fragte sie noch einmal und schüttelte die Sklavin.
«Oh, Miss, der Herrin geht es sehr schlecht.»
Charlotte ließ Latoya los und rannte wie der Blitz die Treppen hinauf. Hortensia eilte ihr nach.
Als sie in das Zimmer ihrer Mutter kamen, blieben beide wie erstarrt stehen. Noch nie hatten sie ihre Mutter schwach gesehen. Ein dünnes Blutfädchen rann aus ihrem Mundwinkel, ihre Haut hatte jede Farbe verloren, und ihre wunderschönen, honigfarbenen Augen waren hinter den geschlossenen Lidern versteckt.
David kniete neben dem Bett und hielt die leblose Hand seiner Frau, während er unaufhörlich ihren Namen flüsterte.
«Wie geht es ihr?», fragte Charlotte.
«Es tut mir leid», sagte Owen traurig. «Es gibt nichts, was wir tun können.»
«Das kann nicht sein. Wo ist der Doktor? Warum kommt er nicht?»
«Mama, bitte wach auf», flüsterte Hortensia ihr zu.
Nervös blickte Charlotte sich um.
«Was ist passiert?», schimpfte sie wütend und suchte nach einem Verantwortlichen, den sie mit ihrem Zorn überschütten könnte.
Owen hatte das Gefühl, als wiederholte sich die Tragödie, die sich vor über zwanzig Jahren abgespielt hatte.
«Es war ein Unfall», hörte man plötzlich Katherine mit schwacher Stimme. «Niemand trägt die Schuld.»
Charlotte warf sich sofort neben sie aufs Bett.
«Mama! Bitte verlass uns nicht!», flehte Hortensia unter Tränen.
David lächelte, als Katherine erwachte, und führte ihre Hand an seine Lippen. «Alles wird gut», beruhigte er seine Frau.
Aber trotz ihres ernsten Zustands zog Katherine ihre Hand weg, sobald sie bemerkte, dass es David war, der sie gehalten hatte. «Ich will mit meinen Töchtern allein sein», sagte sie und wandte ihr Gesicht von David ab.
Davids Gesichtsausdruck verhärtete sich.
«Wie du willst, Katherine.» Er stand auf. Ein letztes Mal hatte ihr Stolz die Worte der Liebe erstickt, die in seinem Inneren aufgekeimt waren. Der Tod würde sie von seiner Seite reißen, ohne dass sie ihm verziehen hätte.
Dann blieben Mutter und Töchter allein.
***
In jener Nacht betrat Owen Graham die Kneipe von Joe Bruck. Er setzte sich in die hinterste Ecke der verfallenen Hütte, bestellte eine Flasche Whisky und trank ein Glas nach dem anderen, bis er bewusstlos vom Stuhl kippte. Er musste den Schmerz in seiner Seele ertränken. Am liebsten wollte er sterben. Einen Grund zu leben hatte er nicht mehr.
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D as Begräbnis wurde in aller Stille begangen, und auf Katherines ausdrücklichen Wunsch hin begrub man ihren Leichnam neben Molly. Obwohl Gaston Lacroix schon beinahe die siebzig erreicht hatte, nahm er mit seinen Söhnen und einigen Enkeln den weiten Weg aus Louisiana auf sich, um Abschied von seiner Tochter zu nehmen. Der Schmerz über den Verlust hatte den vitalen Mann tief getroffen. Er verbrachte ein paar Tage in der Gesellschaft seiner Enkelinnen und nahm ihnen das Versprechen ab, ihn bald zu
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