Fesseln des Schicksals (German Edition)
erfahren!»
«Ach, Richard. Natürlich schwöre ich es. Dein Geheimnis ist bei mir sicher.»
Scotts dunkle Augen sagten die Wahrheit. Richard war so müde. Müde von dem Gewicht dieses Geheimnisses, das auf seiner Seele lag. Doch zum ersten Mal verspürte er etwas Erleichterung bei dem Gedanken, diese Last nicht allein tragen zu müssen.
«Weißt du, wie ihre Zukunft aussähe, wenn es herauskommt?», fragte Richard. «Allein, mir vorzustellen, was passieren könnte, macht mir schon Angst. Was würde aus ihr werden?»
«Dann heirate sie und befreie sie von dieser Zukunft.»
«Das kann ich nicht.»
«Warum? Weil sie eine Schwarze ist?»
«Nein, Scott», sagte er resigniert. «Ich kann es nicht, weil mein Onkel die Wahrheit kennt. Er würde ohne Zögern ihre Herkunft preisgeben, um unsere Verbindung zu verhindern. Was würde dann aus ihr werden? Meine einzige Möglichkeit, Charlotte zu retten, ist es, Camille zu heiraten.»
«Nun, dann tust du mir leid, Richard. Und mir tut auch diese junge Frau leid, weil sie niemals verstehen wird, warum du sie verlassen hast.»
***
Katherine hatte ihre Töchter und David nicht zur Hochzeit begleitet. Sie hatte behauptet, sich nicht wohl zu fühlen, aber tatsächlich hatte sie seit dem Zwischenfall bei Silvias Hochzeit an keinem gesellschaftlichen Ereignis mehr teilgenommen und auch jetzt keine Lust dazu.
Im Schutz der Veranda genoss Katherine das süße Aroma ihres Apfeltees, während sie den Blick in Richtung der Reemick-Plantage schweifen ließ. Zu diesem Zeitpunkt würde das junge Paar bereits nach Norfolk unterwegs sein, um dort ein Schiff in Richtung Norden zu nehmen, wo sie ausgedehnte Flitterwochen verbringen würden. Das Fest würde noch ein paar Stunden andauern, und Katherine würde also noch warten müssen, bevor sie Einzelheiten über die Feier erfuhr.
Trotz ihrer Zurückgezogenheit und obwohl keine ihrer Töchter etwas hatte verlauten lassen, war sie bestens über Charlottes Enttäuschung unterrichtet. Latoya hatte sie über die bevorstehende Vermählung von Richard und Camille informiert.
Im Laufe der Jahre hatte Katherine entdeckt, dass es kaum eine bessere Informationsquelle gab als die Sklaven. Auch wenn ihre Besitzer sich bemühten, sie zu ignorieren, die Ohren ihrer demütigen und allgegenwärtigen Diener waren zu jedem Zeitpunkt wach und aufmerksam.
Es war Katherine nicht schwergefallen, die Zeichen zu einem Bild zusammenzufügen; Charlottes Tränen, die Verzweiflung in den Augen ihrer Tochter … Jedes Mal, wenn sie in der Dunkelheit der Nacht Charlottes verzweifelte Schluchzer gehört hatte, hatte sich ihr das Herz zusammengezogen. Heimlich hatte sie über ihren Schlaf gewacht, und tausendmal wäre sie beinahe in ihr Zimmer gelaufen, um sie in den Arm zu nehmen und zu trösten. Aber sie tat es nicht. Dafür hatte Charlotte ihre Schwester, und Katherine war sich bewusst, dass es für den verletzten Stolz ihrer Tochter fürchterlich gewesen wäre, wenn außer Hortensia jemand von dem Schmerz wüsste, den die Zurückweisung dieses Mannes ihr zugefügt hatte. Charlotte war stark und würde darüber hinwegkommen. Die Zeit würde ihre Wunden heilen. Vielleicht war es sogar das Beste, dass Richard Camille gewählt hatte, dachte Katherine und spürte, wie ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. Wer wusste schon, ob die Dinge für ihre Töchter in Zukunft nicht schwieriger werden würden. Sie konnte nicht vermeiden, an jenen anderen Menschen zu denken, den die Mächte des Schicksals zerstört hatten. Molly, deren Leben plötzlich in tausend Teile zerbrochen war. Sie erinnerte sich daran, wie Molly in dieser neuen und feindlichen Umgebung nach und nach ihre Fröhlichkeit verloren hatte, bis sie fast eine lebende Tote gewesen war. Die dunklen Pläne, die die Zukunft für ihre Kinder möglicherweise bereithielt, lasteten schwer auf Katherine, und sie hatte Sehnsucht nach ihrer treuen Freundin.
Sie ritt zu Mollys Grab und setzte sich an den Fluss. In ihre Gedanken versunken und vom Plätschern des Wassers besänftigt, ließ sie ihr Leben an sich vorbeiziehen.
Als sie ihr Gesicht im Spiegel der kristallklaren Wasseroberfläche betrachtete, konnte sie in dieser müde aussehenden Frau kaum die naive und launenhafte junge Dame erkennen, die vor so vielen Jahren ihr Zuhause in New Orleans verlassen hatte.
Auch sie war sich ihrer Liebe sicher gewesen. Aber sie hatte sich getäuscht. Und noch immer, wenn sie an Davids Verrat dachte, traten ihr Tränen in
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