Fesseln des Schicksals (German Edition)
zuvorkam.
«Tu es nicht! Glaub ihm nicht, Hortensia! Denk daran, was Mutter gesagt hat. Ihm dürfen wir am allerwenigsten vertrauen. Er ist ein Lügner!»
Charlottes Worte kamen gerade noch im rechten Moment. Hortensia verschloss ihre Lippen.
«Es tut mir leid, Vater.» Sie senkte den Kopf. «Ich habe es Mama versprochen.»
Enttäuscht und wütend schüttelte David den Kopf. Er hatte Charlottes Macht über Hortensia unterschätzt.
«Wir werden es dir niemals sagen», triumphierte Charlotte. Sie hatte nicht die Absicht, ihrem Vater gegenüber irgendein Zugeständnis zu machen. Aber sie konnte auch im durchdringenden Blick ihres Vaters nicht das geringste Anzeichen dafür entdecken, dass er nachgeben würde.
«Dann werde ich eben eine Wahl treffen», sagte David kühl.
Hortensia hielt das nicht länger aus. «Vater …», sagte sie und blickte Charlotte verzweifelt an.
Plötzlich fielen Charlotte Hortensias Worte wieder ein. Sie würde alles für Charlotte tun. Ihr lief es kalt den Rücken hinunter.
«Hortensia, tu das nicht. Das ist nicht nötig», kam Charlotte ihr zuvor.
David wartete.
«Ich bin diejenige, die du suchst», sagte Charlotte mit ruhiger Stimme.
Langsam drehte David Parrish sich zu Charlotte um. Mit unendlicher Verachtung forderten die schönen Augen seiner Tochter ihn heraus.
Er hielt ihrem Blick stand.
Unfähig, sich zu rühren, beobachtete Hortensia das Geschehen, als wäre sie Tausende von Meilen davon entfernt. Sie begriff nicht, was mit ihrer Familie passiert war. Ihre Mutter war tot, und nun musste sie erkennen, dass ihr Vater der schrecklichste Mensch auf Erden war.
«Dann geh mit denen, zu denen du gehörst», befahl David mit kalter Stimme.
Hortensia brachte kein Wort heraus. Voller Verzweiflung hielt sie sich an Charlotte fest, während Tränen über ihre Wangen rollten.
«Nein, Charlotte. Tu das nicht. Wir gehen beide. Ich komme mit dir.»
Charlotte nahm das tränenüberströmte Gesicht ihrer Schwester in die Hände.
«Nein. Das geht nicht. Du musst hierbleiben», sagte sie. «Du musst stark sein, Hortensia. Schon bald wird Robert Ardley um deine Hand anhalten. Du wirst heiraten und hier wegkommen. Ich werde weit weg sein, aber wenn ich weiß, dass es dir gutgeht, werde ich alles ertragen können. Und denk daran», warnte sie ihre Schwester leise, damit ihr Vater sie nicht hören konnte. «Erzähl niemandem unser Geheimnis. Man würde uns nicht verzeihen.»
Hortensia versprach es ihr mit einem Nicken. Dann gab Charlotte ihr einen Kuss auf die Stirn, und ohne sich noch einmal nach dem Mann umzudrehen, den sie ihr ganzes Leben lang bewundert und geliebt hatte, verließ sie den Raum.
Alle Sklaven von New Fortune waren gekommen, um sich von Noah zu verabschieden und seiner Mutter beizustehen. Aber trotz der vielen Menschen herrschte Stille. Traurig sahen Mutter und Sohn sich an. Es gab keine Tränen, nicht einmal Worte. Velvet musste stark sein. Obwohl jede Faser ihres Körpers danach verlangte, sich auf ihren Sohn zu stürzen und ihn festzuhalten, obwohl ihre Seele von einem tiefen Schmerz zerrissen wurde, blieb sie ruhig. Wenigstens hätte Noah dann das Gefühl, dass es ihr gutginge. Velvet wollte jede Sekunde nutzen, um sich das Bild ihres Sohnes in ihrem Herzen einzuprägen. Seit Noah gezeugt worden war, hatte sie gewusst, dass dieser Moment eines Tages kommen würde. Vielleicht würde sie ihren Sohn niemals wiedersehen, aber wenigstens war er vor ihren Augen zu einem Mann herangereift. Wenn sie ihn in diesem Leben noch einmal zu Gesicht bekäme, würde sie ihn erkennen.
Als Charlotte neben Noah auf den Karren stieg, packte jemand sie grob am Arm. «Wen haben wir denn da? Wird die hochmütige junge Dame uns etwa begleiten?», sagte der Sklavenhändler und bleckte eine Reihe gelber Zähne. Dann holte er die Handeisen von hinten aus dem Karren.
«Rühren Sie sie nicht an», hielt Owen ihn auf und nahm ihm die Fessel aus der Hand. «Ich mache das.»
Als er die Handfessel um Charlottes zarte Handgelenke schloss, wagte er nicht, ihr in die Augen zu sehen. «Es tut mir leid», sagte er beschämt. Dann stieg er vom Wagen.
«Vergessen Sie nicht, dass Sie eine besondere Ware transportieren», warnte er noch den schmutzig aussehenden Mann. «Sie muss in gutem Zustand ankommen. Wenn ihr auf dem Weg etwas zustößt, werde ich persönlich nach Ihnen suchen, und Sie können sicher sein, dass ich Sie finde.»
Es hatte nicht den Anschein, als würde die Warnung den Sklavenhändler
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