Fesseln des Schicksals (German Edition)
dein Fleisch und Blut ist.»
«Das ist er nicht», schrie David wütend.
«Wenn du ihn so verachtest, hättest du dich vielleicht von deinen Sklavinnen fernhalten sollen.»
«Geh nicht zu weit, Charlotte», warnte er sie mit zornrotem Gesicht.
«Oder was?», forderte sie ihn heraus. «Willst du uns vielleicht auch verkaufen?»
«Du sagst es.»
Charlotte erbleichte. «Bist du verrückt geworden? Das kannst du nicht ernst meinen.»
David sagte kein Wort mehr.
Hortensia sah von ihrer Schwester zum wutverzerrten Gesicht ihres Vaters. Immer schneller sprang ihr Blick zwischen den beiden hin und her. Was war nur mit ihrer Familie geschehen? Ihr Vater musste den Verstand verloren haben.
Vergeblich versuchte Charlotte, ihre Überraschung zu verbergen.
«Kannst du uns denn so sehr hassen? Uns, die wir dich geliebt und respektiert haben? Ich habe dich mein ganzes Leben lang bewundert, Vater. Ich habe versucht zu werden wie du. Wie konnte ich nur so blind sein und nicht sehen, was du für ein Mensch bist. Erst jetzt verstehe ich so viele Dinge. Wie einsam unsere Mutter sich gefühlt haben muss …»
«Und meine Einsamkeit?», fragte David jetzt vorwurfsvoll. «Mein Kummer? Zählt das nicht? All die Jahre musste ich den Hass deiner Mutter ertragen. Ihre Gleichgültigkeit. Glaubst du vielleicht, dass mir der Schmerz nichts ausmacht?»
«Das war deine gerechte Strafe.»
David warf seiner Tochter einen warnenden Blick zu. Fast fürchtete Hortensia, dass er Charlotte schlagen würde, aber er rührte sich nicht. Und auch Charlotte wich keinen Schritt zurück.
Fieberhaft versuchte Charlotte, irgendeine Lösung zu finden. Es gab immer irgendeinen Ausweg, sagte sie sich und versuchte, die aufsteigende Panik zu unterdrücken.
«Als Molly starb, war sie nicht dein Eigentum», sagte sie jetzt und hatte das Gefühl, am Horizont ein Licht sehen zu können. «Mama hat ihr die Freiheit geschenkt, ihre Tochter ist also frei. Du kannst nicht verkaufen, was dir nicht gehört.»
«Das ist mir durchaus bewusst», sagte David langsam und genoss jedes seiner Worte mit einem triumphierenden Lächeln, bei dem Charlotte die Haare zu Berge standen. «Ich habe immer daran gedacht. Aber ich fürchte, du hast eines nicht bedacht. Als meine Frau ihrer Sklavin die Freiheit schenkte, war ihre Tochter schon geboren. Das Mädchen ist also rechtlich seit ihrer Geburt eine Sklavin. Arme Katherine!», rief er sarkastisch aus. «Sie ist nie darauf gekommen, dass das Mädchen, das sie als ihre Tochter großgezogen hat, immer nur ihre Sklavin war.»
Plötzlich zeichnete sich Angst in Charlottes Augen ab.
«Und es gibt Zeugen, die das bestätigen. Owen Graham selbst war zugegen. Wie ihr wisst, geht der Besitz eurer Mutter mit ihrem Tod in meine Hände über, und darunter befindet sich auch die Sklavin, die sie wie eine Tochter großgezogen hat.»
Was für ein Ungeheuer war dieser Mann, den Charlotte so bewundert hatte? Wie hatte Katherine Lacroix sich in so jemanden verlieben können? Er hatte über zwanzig Jahre gewartet, um sich endlich zu rächen.
«Ich weiß, dass ihr die Wahrheit kennt.»
Aus Hortensias Gesicht war alle Farbe gewichen. Die Veränderungen geschahen mit einer solchen Geschwindigkeit, dass sie sie nicht mehr begreifen konnte. Vor wenigen Minuten hatte sie selbst noch zu ihrer Schwester gesagt, dass es keinen Grund gebe, sich Sorgen zu machen. Dass niemand um ihr Geheimnis wisse. Niemand außer dem bedrohlichsten Menschen von allen: ihrem Vater.
David Parrish sah Charlotte an. Das dunkle Haar, die weiße Haut und die grünen Augen voller Feuer. Dann betrachtete er Hortensia, deren blondes Haar ihr in weiten Korkenzieherlocken über die Schultern fiel. Hohe, sanft gerundete Wangenknochen verliehen ihrem ovalen Gesicht eine harmonische Form. Fast sah sie aus wie eine Porzellanpuppe.
«Sag du mir die Wahrheit, Hortensia», redete er sanft auf sie ein.
Hortensias verzweifelte Augen suchten nach denen ihrer Schwester.
«Ich kann nicht, Papa», flüsterte sie dann mit dünner Stimme.
«Doch, du kannst, mein kleines Mädchen. Du musst mir nur alles sagen. Dann wird sich nichts verändern. Das verspreche ich dir. Alles bleibt, so wie es war.» Freundlich sah er sie an.
Leiser Zweifel machte sich in Hortensia breit. Sie erinnerte sich daran, dass sie ihrer Mutter auf dem Sterbebett versprochen hatte zu schweigen. Aber wie konnte sie ihrem Vater nicht vertrauen? Gerade wollte Hortensia ihren Mund aufmachen, als ihre Schwester ihr
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