Fesseln des Schicksals (German Edition)
Miss Hortensia immer sehr gemocht.»
Charlotte dachte daran, dass sie ihn nur einen Tag zuvor als treulos beschimpft hatte. Wie falsch hatte sie ihn beurteilt! Sie war hochmütig und gefühllos gewesen.
«Ich wusste das nicht», sagte sie. «Es tut mir leid.»
«Schon in Ordnung. Machen Sie sich keine Sorgen. Es gibt nichts zu verzeihen. Schlafen Sie jetzt, Miss Charlotte. Morgen müssen Sie hart arbeiten.»
Als Noah aufstehen wollte, hielt Charlotte ihn am Handgelenk fest.
«Sag Charlotte zu mir.»
Lächelnd sah er ihr in die Augen.
«Gute Nacht, Charlotte.»
«Gute Nacht, Noah.»
***
Der Tee, den Noah gebraut hatte, hatte dafür gesorgt, dass Charlotte die ganze Nacht durchschlief. Am nächsten Morgen war das Fieber gesunken, und auch ihren Händen ging es besser. Zwar war Charlotte noch etwas schwach auf den Beinen, aber als sie den Maisbrei aufgegessen hatte, den Noah ihr brachte, fühlte sie sich viel besser. Bevor sie auf das Feld gingen, behandelte Noah noch einmal ihre Wunden und verband ihr die Hände. Er fand sogar die Zeit, ihr aus ein paar Bananenblättern einen Hut zu fertigen.
An diesem Tag arbeitete Charlotte ohne Pause. Immer wenn sie merkte, dass der Aufseher sie ansah, arbeitete sie noch schneller. Zwar spürte sie ihre Hände wieder, aber Noahs Verband hielt. Sie pflückte acht Körbe und hörte erst auf, als sie sicher war, dass sie die Letzte auf dem Feld war. Der Aufseher hatte sie aus der Ferne beobachtet, und als die Sklaven sich auf den Rückweg ins Hüttendorf machten, bemerkte Charlotte, dass er sie mit einem veränderten Blick ansah.
Charlottes Körper gewöhnte sich überraschend schnell an die harte Arbeit. Aber wenn Noah sich nicht so gut um sie gekümmert hätte, wäre sie irgendwann zusammengebrochen. Eigentlich war es der Gedanke an Flucht, der ihr jeden Morgen die Kraft zum Aufstehen gab. Im Geiste war sie ununterbrochen damit beschäftigt, diese Flucht zu planen, und hatte schon Hunderte von Möglichkeiten durchgespielt. Aber nach dem vierten Arbeitstag war sie so erschöpft, dass sie beschloss, sich eine Woche Ruhe zu gönnen. Vorher würde sie nicht ernsthaft daran denken können zu fliehen. Und so vergingen die Tage, und Charlotte fühlte sich immer schwächer. Jeden Abend, wenn sie von den Feldern zurückkam, wollte sie nur noch ins Bett fallen und sagte sich: «Morgen werde ich fliehen. Heute muss ich schlafen.»
· 25 ·
Z wei Monate später war Charlotte noch immer auf Sarton. Als sie eines Nachmittags am Fluss ihre Kleider wusch, tauchte Melody hinter ihr auf.
«In ein paar Tagen wird die Herrschaft zurückkehren. Das Haus muss geputzt werden, und Mr. Boromat hat mir gesagt, dass ich eine Frau aussuchen darf, die mir helfen soll.»
Charlotte hörte für einen Moment auf, an einem hartnäckigen Fleck zu reiben, und sah auf.
«Und?»
«Nun, ich habe gedacht, dass du vielleicht Lust dazu hast.»
Eigentlich waren die beiden nicht gerade Freundinnen. Melody fand Charlotte hochnäsig, und Charlotte war umgekehrt der Ansicht, dass Melody etwas einfältig war. Wenn Melody sie ausgesucht hatte, dann weil die Sklavin an Noah interessiert war. Charlotte wusste nicht so genau, ob Noah diese Zuneigung erwiderte.
«Danke, Melody. Es wäre schön, für ein paar Tage etwas anderes zu machen.»
«Bis morgen also.»
Am nächsten Tag fingen sie mit dem Salon und dem Empfangszimmer an. Sie zogen die Laken von den Möbeln, wuschen die Gardinen, klopften die Teppiche, wischten Staub und bohnerten die Fußböden.
Am Ende des Tages wollte Melody noch die Kohle im Kamin zurechtlegen. Sie bereitete alles so vor, dass man ihn nur noch anzuzünden brauchte.
«Kannst du mir etwas Papier geben?», bat sie Charlotte. «Es liegt da hinten.»
Charlotte drehte sich um und entdeckte einen Stapel alter Zeitungen in einem Korb. Sie knüllte ein paar einzelne Seiten zusammen und reichte sie Melody. «Reicht das?»
«Noch ein bisschen mehr.»
Charlotte riss eine weitere Seite ab, aber kurz bevor sie sie zusammenknüllte, fiel ihr Blick auf eine Überschrift. Schlagartig richtete sie sich auf.
«Worauf wartest du», drängte Melody.
Unauffällig ließ Charlotte das Papier in ihrer Schürzentasche verschwinden und riss schnell eine neue Seite ab. «Hier.»
«Ist alles in Ordnung?», fragte Melody neugierig.
Charlotte nickte.
«Du bist ganz blass geworden. Als hättest du ein Gespenst gesehen.»
«Nein, mir geht es gut, wirklich.»
Melody bedrängte sie nicht weiter und stopfte
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