Fesseln des Schicksals (German Edition)
Baumreihen ein durchgehendes Schattendach warfen. Wenn es einen Ort gab, an dem sich die kreolische Aristokratie versammelte, dachte David, dann war es ohne Zweifel hier.
Es schien, als wollte jede der prächtigen Villen, die die Allee säumten, mit einer noch schöneren Fassade und einem noch gepflegteren Garten die Konkurrentin neben ihr ausstechen. Hier eine weiße Villa im reinsten neoklassizistischen Stil mit hohen Marmorsäulen, dort ein Anwesen, das im nüchternen, aber ebenso luxuriösen Queen-Anne-Stil gehalten war. Es gab auch Villen in lichtdurchfluteter italienischer Bauart. Welchen Stil man auch immer bevorzugte, die Esplanade Avenue diente dazu, den Reichtum ihrer Anwohner zur Schau zu stellen.
Schließlich zeigte ein schmiedeeisernes Gitter mit weitgeöffneten Toren das Ende der befahrbaren Strecke an. Es gab in diesem Teil der Allee nur noch zwei Villen, eine auf jeder Seite. Zweifellos war eine von ihnen der Wohnsitz der Familie Lacroix.
Der Kutscher lenkte die Pferde durch einen mit Efeu bewachsenen Torbogen. Jetzt konnte David das Anwesen sehen. Auf einer leichten Erhebung, von der aus es scheinbar die ganze Straße beherrschte, lag das beeindruckendste Herrenhaus, das er je gesehen hatte.
Jedes der drei Stockwerke verfügte über zehn Fenster. In der Fassade aus rötlichem Backstein waren in regelmäßigen Abständen klassische Skulpturen aus weißem Marmor eingelassen. Vier Säulen mit griechischen Kapitellen wachten über den Vorhof.
Nachdem die Kutsche ihren Weg durch einen blühenden Garten fortgesetzt hatte, hielt sie schließlich vor der breiten Treppe zum Hauptportal. Noch bevor David sich erheben konnte, öffnete schon ein Sklave in einer grünen, mit goldenem Atlas besetzten Livree den Wagen. David überreichte ihm seine Karte und folgte ihm ins Haus.
Als sie im Salon angekommen waren, murmelte der farbige Mann etwas, das klang wie eine Aufforderung, Platz zu nehmen. Dann verschwand er wieder. David schlug die Rockschöße der neuen Anzugjacke zurück und setzte sich auf einen mit bedruckter Seide bezogenen Sessel.
Der rötliche Glanz der Mahagonidielen wurde von den Fasern der orientalisch gemusterten Teppiche gedämpft. An der Stirnseite des Salons führten in Blei gefasste Glastüren auf eine große Terrasse voller Bougainvilleen. Hinter der steinernen Balustrade und dem gepflegten Rasen konnte David die ruhigen, blauen Wasser des Lake Pontchartrain erkennen. Er war tief in der Betrachtung der Landschaft versunken, als ihn plötzlich eine melodische Stimme mit unverwechselbar französischem Akzent begrüßte: «Monsieur Parrish!»
David stand auf.
«Mr. Lacroix?»
Ein kleiner dicker Mann mit gutmütigem Gesicht lächelte ihn an. «So ist es.»
«Sehr erfreut.» David nickte höflich und wollte seinem Gastgeber die Hand schütteln. Doch Monsieur Lacroix beachtete die ausgestreckte Hand seines Gegenübers gar nicht, sondern schloss ihn gleich in seine kräftigen kurzen Arme.
«Ich habe erstaunliche Dinge von Ihnen gehört!», rief er aus und drückte David mit einem solchen Ungestüm, dass er ihn beinahe vom Boden hochhob. «Es freut mich, Sie endlich kennenzulernen.» Lachend klopfte er David auf den Rücken.
«Zu freundlich», antwortete dieser peinlich berührt.
«Werden Sie uns für längere Zeit beehren?»
«Leider fürchte ich, dass es nur ein paar Tage sind. Ich war schon seit Monaten nicht mehr auf meiner Plantage und muss vor der Baumwollernte zurück sein.»
«Ah, die Pflicht …», murmelte Lacroix verständnisvoll und nickte. «Und Ihre Koffer?»
«Bitte?»
«Ihr Gepäck? Haben Sie denn kein Gepäck mitgebracht?»
«Aber … aber natürlich», stotterte David angesichts der unerwarteten Wendung, die das Gespräch nahm, «es ist im Hotel.»
Mit weitaufgerissenen Augen sah Gaston Lacroix seinen Besucher an.
« Mon Dieu! In einem Hotel!», rief er entsetzt und legte in übertriebener Manier die Hände an die Wangen. «Auf gar keinen Fall wird ein junger Mann wie Sie, ein Held unserer Nation, in einem jämmerlichen Hotel unterkommen. Ohne Bequemlichkeit, ohne Komfort. Niemals! Noch heute werden Sie in mein Haus umziehen.»
«Ich versichere Ihnen, dass ich perfekt untergebracht bin.»
«An einem solchen Ort kann es Ihnen unmöglich gutgehen!» Sofort blickte Gaston Lacroix sich suchend um, als hätte er gerade etwas verloren. «Martin! … Wo steckt bloß dieser –»
Noch bevor Monsieur Lacroix seinen Satz beenden konnte, stand der Sklave, der David
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