Fesseln des Schicksals (German Edition)
liebst, warum hast du dann abgelehnt?»
Aber Charlotte kannte die Antwort ja schon. Sie war selbst ein Teil des Problems. Scott hatte recht gehabt. Wenn Hortensia heiratete, würde so vieles anders werden.
«Mir wird es gutgehen», log Charlotte. «Es ist doch auch nicht weit. Ich werde euch besuchen.»
«Es ist nicht nur deswegen.»
«Weswegen dann?»
«Du weißt es doch. Wenn er entdeckt, wer ich bin …», brach es mit erstickter Stimme aus ihr heraus.
Charlotte sah ihre Schwester an. Erst jetzt verstand sie ihre Angst.
«Denk nicht daran. Es ist egal, wer deine Mutter war. Du bist Hortensia. Der liebste und freundlichste Mensch auf der Welt. Sei glücklich, Schwesterchen. Nimm an, was das Leben dir bietet. Denke einmal im Leben nur an dich. Heirate ihn. Brian muss nichts davon wissen. Er will es gar nicht wissen.»
Charlottes Worte waren tief aus ihrem Herzen gekommen. Aber Hortensia schüttelte den Kopf.
«Das habe ich mir auch gesagt, Charlotte, aber ich kann nicht. Ich kann ihn nicht belügen. Ich muss es ihm sagen.»
«Nein! Das musst du nicht. Du schuldest ihm nichts, Hortensia. Wozu sollte es gut sein?»
«Ich weiß es nicht», gestand Hortensia und sah ihre Schwester traurig an. «Aber ich kann kein gemeinsames Leben mit ihm beginnen, wenn dieses Geheimnis zwischen uns steht. Das würde ich nicht aushalten. Lieber ertrage ich jetzt seine Verachtung, als ein Leben lang Angst vor dem Moment zu haben, in dem er es doch erfährt.»
«Tu es nicht, Hortensia», bat Charlotte sie und ergriff ihre Hand. «Heirate ihn einfach und sei glücklich.»
«Ich muss es tun, und du weißt das. Ich bin es leid, Charlotte. Ich bin es leid, zu lügen und Angst zu haben. Wenn er es erführe, wenn wir verheiratet sind … ich könnte seinen Blick nicht ertragen.»
Zu gut verstand Charlotte, von welchen Blicken ihre Schwester sprach. Sie hatte sie selbst auf sich gespürt, als die Leute sie für eine Sklavin gehalten hatten.
«Wenn er etwas erfährt, sagen wir einfach, dass ich Mollys Tochter bin. Niemand kann uns das Gegenteil beweisen.»
«Diesmal nicht, Charlotte. Du sollst dich nicht noch einmal für mich opfern. Versteh das bitte», flehte Hortensia sie an. «Ich muss es ihm sagen. Irgendwie schulde ich es auch meiner leiblichen Mutter. Du musst mir einmal erlauben, meinem Schicksal selbst die Stirn zu bieten.»
Hortensia setzte sich zwar nur selten etwas in den Kopf, wenn sie es dann aber doch tat, konnte niemand sie davon abbringen. Am nächsten Morgen nahm sie eine Kutsche und fuhr zu Brian. Und sie wollte sich nicht einmal von Charlotte begleiten lassen. Hortensia hatte eine Entscheidung getroffen.
***
Hortensia wurde in den kleinen Salon neben dem Empfang geführt. Sie hatte sich noch gar nicht überlegt, wie sie anfangen wollte, als Brian durch die Tür kam.
«Guten Tag, Hortensia», sagte er und sah sie fragend an.
«Hallo, Brian.»
«Bitte nimm doch Platz.»
Sie setzte sich und wartete, bis auch er saß.
«Ich freue mich, dich zu sehen. Nach dem gestrigen Abend hätte ich nicht gedacht, dass du noch einmal hierherkommst. Ich …», stotterte er. «Ich wollte dich nicht kränken. Ich dachte … es tut mir leid.»
«Nein, Brian. Du hast schon richtig gedacht.»
Brians dunkle Augen schienen sich etwas aufzuhellen.
«Dann verstehe ich nicht …?», sagte er.
«Ich kann nicht deine Frau werden. Nicht weil ich nicht wollte, sondern weil du mich sicher nicht noch einmal darum bitten wirst, wenn du die Wahrheit kennst.»
Brian wollte das abstreiten, aber Hortensia unterbrach ihn.
«Nein, warte. Lass mich ausreden. Ich musste all meinen Mut zusammennehmen, um hierherzukommen.» Mit fester Stimme fuhr sie fort.
«Eigentlich ist mein Nachname nicht Lacroix, sondern Parrish.»
Diese erste Enthüllung schien keine Wirkung auf Brian zu haben. Er hörte weiterhin aufmerksam zu.
«Und obwohl ein Teil meiner Familie wirklich aus New Orleans stammt, bin ich in Virginia geboren und aufgewachsen, wo mein Vater der Besitzer einer der größten Plantagen des Staates ist.»
«Hortensia, ich weiß nicht, welche Bedeutung …»
«Es wird für dich von Bedeutung sein», sagte sie und bat ihn, weiter zuzuhören. «Lacroix ist der Name meiner Mutter. Katherine Lacroix war eine außergewöhnliche Frau. Sie hatte eine Sklavin, mit der sie zusammenlebte, seitdem sie Kinder gewesen waren. Sie liebte sie wie eine Schwester. Molly war ihr Name. Sie war sehr schön, ihre Haut war wie Elfenbein, und sie hatte
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