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Fesseln des Schicksals (German Edition)

Fesseln des Schicksals (German Edition)

Titel: Fesseln des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Gallaga
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sich. «Da muss ihm schon etwas Besseres einfallen, als mich in die verrufenste Ecke der Stadt zu schicken.»
    Wenn Spelman auch nur für eine Sekunde angenommen hatte, dass diese Frau so dumm sein könnte, ganz allein die Straße zu betreten, in der Prostituierte und Banditen herumlungerten und in die selbst die Polizei sich nur ungern vorwagte, dann hätte er sie am Stuhl festgebunden und höchstpersönlich wieder bei Raymond O’Flanagan abgeliefert. Aber er war davon überzeugt, dass die feine junge Dame mit ihren eleganten Stiefeln direkt hinter Faneuil Hall kehrtmachen würde, sobald sie den ersten Dreck auf der Straße entdeckte, den in dieser Gegend niemand wegräumte. Sie würde so schnell davonlaufen, dass die absurde Idee, eine Frau könnte als Reporter arbeiten, in Windeseile aus ihrem Kopf verschwinden würde. Dann würde sie sich hoffentlich einen Ehemann suchen und wie jede anständige junge Dame zu Hause bleiben.
    Aber Spelman kannte Charlotte nicht.
    ***
    Wenn sie nicht so verdammt stolz wäre, hätte Charlotte auf ihren gesunden Menschenverstand gehört und wäre wirklich davongelaufen, als der erste betrunkene und zahnlose Matrose auf sie zukam und ihr ein paar Münzen dafür anbot, ihm ein wenig Gesellschaft zu leisten.
    Erschrocken beschleunigte sie ihren Schritt.
    Um sie herum lag überall Dreck auf der Straße, und ein kleines pelziges Tier bog blitzartig vor ihr in eine dunkle Gasse ein.
    In einem Müllhaufen an der nächsten Straßenecke kämpften zwei Ratten um einen Fischkopf. Charlotte hielt sich die Hand vor den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. Schnell schloss sie die Augen und zwang sich, ruhig weiterzuatmen. Sie würde auf keinen Fall aufgeben und unterdrückte den Impuls, schreiend davonzulaufen. Sie war Katherine Lacroix’ Tochter und würde sich von diesen elenden Tieren nicht einschüchtern lassen.
    Als sie die Augen wieder öffnete, waren die Ratten verschwunden.
    Die Spelunke, in der der unglückliche Matrose sein Leben ausgehaucht hatte, war nicht schwer zu finden. Charlotte ging einfach hinein und wandte sich direkt an den Mann hinter der Theke.
    «Entschuldigen Sie. Ich bin Charlotte Lacroix vom Boston Universal . Ich habe mich gefragt, ob Sie wohl etwas über den Matrosen wissen, der hier gestern umgekommen ist.»
    Der Mann blickte sie von oben bis unten an und erschlug mit der flachen Hand eine Fliege, die sich auf die Theke gesetzt hatte.
    «Ich weiß gar nichts», sagte er und kehrte ihr den Rücken zu.
    Charlotte sah sich um. Der andere Mann im Raum war so betrunken, dass er kaum sprechen konnte. Es hätte keinen Sinn, ihn zu befragen.
    «Hören Sie zu, Miss», rief ihr der Wirt zu. «Ich gebe Ihnen einen Rat. Das hier ist kein Ort für Sie. Hören Sie auf, Ihre Nase in Angelegenheiten zu stecken, die Sie nichts angehen, und gehen Sie ganz schnell dorthin zurück, wo Sie hergekommen sind.»
    Wohl wissend, dass sie nichts in der Hand hatte, um den Wirt zum Sprechen zu bringen, starrte Charlotte noch einmal auf den dunklen Fleck auf den Dielen und verließ die Kneipe.
    Was sollte sie nur tun? Entmutigt setzte sie sich auf eine Kiste, die jemand an einer Straßenecke hatte stehen lassen, und beobachtete das Treiben auf der Straße.
    «Müde?», fragte eine weibliche Stimme.
    «Ich kann absolut nicht mehr», antwortete sie und wandte sich zu der Frau, die sich neben sie an die Wand gelehnt hatte. Offensichtlich war sie eine Prostituierte.
    «Ich habe dich hier noch nie gesehen. Bist du neu?»
    «Ich bin gerade angekommen.»
    Die Frau betrachtete Charlotte für eine Weile.
    «Du bist viel zu hübsch, um eine Hure zu sein.»
    «Ich bin auch keine. Ich bin Reporterin. Oder wenigstens wäre ich das gern.»
    Bei diesen Worten machte die Frau sofort Anstalten, die Flucht zu ergreifen.
    «Bitte, geh nicht!»
    «Es tut mir leid. Ich kann nichts sagen.»
    Charlottes Augen flehten sie um Hilfe an.
    «Ich verspreche dir, dass niemand erfährt, dass du mit mir gesprochen hast. Ich gebe dir mein Wort. Und ich kann dich bezahlen.»
    Vorsichtig blickte die Frau zu allen Seiten. Niemand schien auf sie zu achten. «Okay. In einer Stunde in Faneuil Hall, Ecke North Market Commercial.»
    «Ecke Market Commercial», wiederholte Charlotte, als sie aufstand.
    «Und jetzt hau ab. Besser, wir werden nicht zusammen gesehen.»

    Erst als Charlotte die Markthalle sah, in der sie jeden Morgen einkaufte, beruhigte sie sich wieder. Nachdem sie heil aus dem gefährlichsten Viertel dieser Stadt

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