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Fesseln des Schicksals (German Edition)

Fesseln des Schicksals (German Edition)

Titel: Fesseln des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Gallaga
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herausgekommen war, schwor sie sich, nie wieder so töricht zu sein.
    Es war fast Mittag, und Faneuil Hall war voller Menschen. Mit Ellenbogen und Schubsern drängelten sie sich vor den zahlreichen Marktständen, die die Stadt mit frischen Lebensmitteln versorgten.
    Charlotte erstand einen Pie mit Fleischfüllung an einem Stand auf der Straße und aß ihn im Stehen an der Ecke, an der sie verabredet war. Als ihre Informantin mit zwanzig Minuten Verspätung endlich erschien, hatte Charlotte bereits ihren zweiten Pie in der Hand.
    «Es tut mir leid», entschuldigte sich die Prostituierte. «Ich hatte noch einen Freier.»
    «Danke, dass du gekommen bist.» Die Frau starrte auf das letzte Stück Pie in Charlottes Hand.
    «Hast du Hunger?»
    Sie nickte.
    Charlotte hatte ein Café entdeckt und deutete nun auf den Eingang. «Lass uns da hineingehen.»
    Die Frau nickte wieder.
    Sie traten ein und setzten sich an einen etwas abgelegenen Tisch. «Was möchtest du?»
    Als sie keine Antwort bekam, bestellte Charlotte zwei Tassen Tee und für die Frau ein Stück Kuchen, das sie praktisch verschlang.
    «Ich heiße Charlotte Lacroix», stellte sie sich vor, nachdem ihre Begleiterin fertig war.
    «Ich bin Gertrud», sagte diese und wischte sich den Mund mit der Hand ab.
    Charlotte betrachtete sie aufmerksam. Sie trug ihr langes Haar offen, und obwohl es zunächst brünett erschien, war es doch in Wirklichkeit so schmutzig, dass man seine tatsächliche Farbe kaum erraten konnte. Eine lange Strähne fiel ihr über eine Gesichtshälfte. Ein Rest von roter Farbe war auf ihren Lippen zu sehen, und sie hatte noch alle Zähne. Charlotte schätzte sie auf etwa fünfunddreißig.
    «Darf ich fragen, wie alt du bist?»
    «Ich bin letzten Monat dreiundzwanzig geworden.»
    «Dreiundzwanzig», wiederholte Charlotte ungläubig. Diese Frau war genauso alt wie sie.
    Als Gertrud sich das Haar aus dem Gesicht strich, um den Tee zu trinken, kam ein hässlicher blauer Fleck über dem einen Auge zum Vorschein.
    «O mein Gott! Was ist dir passiert?»
    «Es ist nichts», sagte sie und ließ sich die Strähne schnell wieder ins Gesicht fallen. «Mein Chef hatte einen schlechten Tag.»
    «Das tut mir furchtbar leid.»
    Gertrud winkte ab. «Es ist bald wieder weg. Normalerweise schlägt er uns nicht ins Gesicht. Du weißt schon, wir sollen gut aussehen», versuchte sie, ihn zu verteidigen. «Die Polizei hat wegen dem Mord im Bezirk rumgeschnüffelt, und dann ist er immer sehr nervös.»
    «Die Polizei?»
    Gertrud tat geheimnisvoll. «Eine Schlägerei ist eine Sache, aber wenn ein Mann in einer vollen Kneipe mit aufgeschlitzter Kehle verblutet, dann ist das nicht normal.»
    «Es ist schrecklich. Ich habe nicht gewusst, dass er so gestorben ist.»
    «Armer Gilbert.»
    «Du kanntest ihn?»
    «Er war ein Stammkunde», sagte sie. «Er hatte die schlechte Angewohnheit, zu viel zu reden. Noch Stunden vor seinem Tod hat er mir stolz erzählt, dass er mit wichtigen Leuten Geschäfte machte.»
    «Was für Geschäfte?»
    «So genau weiß ich das nicht», sagte Gertrud zögernd. «Aber in der letzten Zeit hatte er ziemlich viel Geld. Einmal hat er von einem wichtigen Mann erzählt …», überlegte sie. «Seinen Namen hat er nie genannt, aber ich glaube, es war ein Bankier. Gilbert hat erzählt, dass er jede Woche Geld von ihm bekam, damit er seinen Mund hielt.»
    «Du meinst, er hat ihn erpresst?»
    Ihr Schweigen bestätigte Charlottes Annahme. Sie unterhielten sich fast eine Stunde lang. Charlotte machte sich Notizen zu den wichtigsten Fakten und versprach Gertrud, ihre Identität um keinen Preis zu enthüllen. Dann gab sie ihr alles Geld, das sie bei sich hatte, und ließ sie die Adresse der Redaktion auswendig lernen, falls sie noch etwas in Erfahrung bringen konnte oder in Schwierigkeiten geriet.
    Sobald Charlotte wieder in der Redaktion war, setzte sie sich an ihren Schreibtisch und schrieb bis in den Abend hinein. Sie hatte genügend Informationen, um drei Spalten zu füllen. Nachdem sie den Text noch ein letztes Mal durchgegangen war, schrieb sie stolz ihren Namen darunter und legte ihn Mr. Spelman auf den Schreibtisch. Zufrieden ging sie nach Hause.

    Als Hugo Spelman den Artikel am nächsten Morgen las, musste er zähneknirschend zugeben, dass er sich geirrt hatte. Der Bericht, den Charlotte Lacroix verfasst hatte, wurde unter der Schlagzeile MORD AN EINEM ERPRESSER auf der ersten Seite veröffentlicht. Und damit begann Charlottes Karriere als Journalistin.

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