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Fesseln des Schicksals (German Edition)

Fesseln des Schicksals (German Edition)

Titel: Fesseln des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Gallaga
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eine Glocke anzubringen.
    Nachdem er am Strang gezogen hatte, stellte Scott seinen Koffer auf dem Boden ab und setzte sich. Es war kalt, und er kauerte sich unter seinem Cape zusammen. Er hätte die Handschuhe nicht im Koffer lassen sollen, dachte er bei sich und fühlte, wie die Feuchtigkeit ihn in die Hände zwickte und seine Kleidung durchdrang. Er war noch nicht einmal auf dem Gelände der Akademie angekommen, und doch hasste er den Ort bereits.
    Als er hörte, wie der dumpfe Klang von Schritten auf den Steinplatten näher kam, spürte er die Finger kaum noch.
    «Wer ist da?», fragte eine Stimme aus dem Dunkel.
    «Scott O’Flanagan», antwortete er.
    Die Scharniere der Metalltür quietschten.
    «Folgen Sie mir», befahl der Mann, dessen Umrisse vor Scott langsam Form angenommen hatten.
    Das brauchte man ihm nicht zweimal zu sagen. Er wäre selbst dem Teufel hinterhergelaufen, hätte dieser die Freundlichkeit besessen, ihm einen trockenen und warmen Unterschlupf in Aussicht zu stellen. Wortlos führte der Wachoffizier ihn durch die Anlage.
    Auf dem Weg durch das zweistöckige Gebäude, in dem er untergebracht war, war ihnen niemand begegnet. Scott fragte sich ernstlich, ob er wohl der einzige Student der Akademie war. Als er sein Zimmer betrat, schien sein Verdacht sich zu erhärten. Auch hier war keine Menschenseele zu sehen.
    Nichtsdestoweniger verriet die Anzahl der Betten, Schränke, Nachttische und Stühle, dass der Raum für vier Personen ausgelegt war. Ein Tisch war in der Mitte des Zimmers platziert worden, genau gegenüber von einem breiten Schiebefenster, an jeder Seite stand ein Stuhl. Das einzige Möbelstück, das der spartanischen Unterbringung einen Hauch von Gemütlichkeit verlieh, war ein Metallofen.
    «Ihr Bett», erklärte der Offizier und zeigte auf das Lager neben dem Fenster. Und noch bevor Scott eine weitere Bemerkung machen konnte, ging der Offizier auf einen Schrank zu und öffnete die Tür. «Ihre Kleidung», informierte er den Neuankömmling.
    In diesem Moment erblickte Scott zum ersten Mal, was in den nächsten Jahren seine einzige Habe sein sollte. Und ihm gefiel keineswegs, was er sah.
    «Sobald Sie sich umgezogen haben, haben Sie im Speisesaal zu erscheinen», sagte der Offizier, der Scotts eleganten Anzug mit offenkundiger Missbilligung betrachtete. «Wenn Sie vor die Tür treten, wenden Sie sich nach Osten, gehen etwa zwanzig Yards geradeaus, wenden sich dann nach Norden und dann wieder nach Osten. Sie können ihn nicht verfehlen.»
    Scott bemühte sich, die Beschreibung zu behalten.
    «Beeilen Sie sich. Das Abendessen wird in fünf Minuten serviert.»
    Sobald Scott allein war, lief er zum Ofen. Der war eiskalt. Erst als er die Hände auf das Gitter drückte, seufzte er erleichtert. Die von der Restglut ausgestrahlte Wärme vermittelte ihm das erste angenehme Gefühl, seit er Boston verlassen hatte.
    Nachdem er sich etwas aufgewärmt hatte, zog er sich aus und legte seine Kleider in den Koffer, den er unter das Bett schob. Im schlimmsten Fall würden sie vier Jahre lang dort bleiben. Danach nahm er eine der beiden Tagesuniformen aus dem Schrank und zog sie an. Die Hosen waren etwas zu lang, aber die Jacke saß. Er hätte sich gerne im Spiegel angesehen, fand aber keinen. Anscheinend war sogar ein einfacher Spiegel zu viel Luxus für die nüchternen, kalten Zimmer.
    Als er vor die Tür trat, rief sich Scott die Wegbeschreibung zum Speisesaal ins Gedächtnis. Jetzt spürte er, wie hungrig er war. Zum Glück hielt die Uniform die Nachtkälte ab. Richtung Osten, wiederholte er in Gedanken, und während er angestrengt versuchte, irgendein Sternzeichen zu entdecken, das ihm dabei helfen könnte, in der Dunkelheit die Himmelsrichtungen zu bestimmen, knurrte ihm der Magen. Es war sinnlos. Der Nebel hatte die Sterne verschluckt, und die einzigen Lichter in seiner Umgebung waren die Laternen an den Mauern der Gebäude.
    Vielleicht war es der Überlebensinstinkt, der ihn zu seinem Ziel führte, vielleicht aber auch einfach der dezente Geruch nach Essen. Jedenfalls fand er den Speisesaal und darin auch die übrigen Studenten, an deren Existenz er schon gezweifelt hatte.
    Obwohl etwa hundert Studenten und zehn Lehrer unter den Holzbalken des Pavillons saßen, herrschte beeindruckende Stille. Man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören. Scott setzte sich auf einen Stuhl nahe der Tür und wartete, dass ihm das Abendessen serviert wurde. Sobald sie ihr Mahl beendet hatten, erhoben sich die

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