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Fesseln des Schicksals (German Edition)

Fesseln des Schicksals (German Edition)

Titel: Fesseln des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Gallaga
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den Blick, legte die Schnalle auf den Tisch und stand auf. Jetzt konnte Scott sehen, dass er sogar noch größer war als Richard. Klaus ging dicht neben ihm vorbei und verließ das Zimmer, ohne ein Wort zu sagen.
    Einem perfekten Gastgeber gleich übergab Richard ihm ein Buch, in dem die Regeln und der Verhaltenskodex aufgelistet waren, die die Schüler beachten sollten. Es wurde empfohlen, sie auswendig zu lernen. Er beschrieb ihm kurz den Tagesablauf in der Akademie und erklärte ihm den Gebrauch der unterschiedlichen Uniformen.
    ***
    In dieser Nacht wurde Scott vom Schnarchen des unfreundlichen Klaus daran gehindert, auch nur ein Auge zu schließen. Und am nächsten Tag riss ihn schon um fünf Uhr früh der irritierende Klang einer Trompete aus dem Bett, und man zwang ihn dazu, sich auf dem mit Raureif bedeckten Rasen zum Appell aufzustellen. Während man ihn mit seinem Gewehr absurde Tänze aufführen ließ, schweifte Scotts Blick über die zehn Morgen Land, die zwischen dem Meer und der Mündung des Severn River eingezwängt lagen und die für die nächsten Jahre zu seinem Gefängnis werden würden.
    Jetzt verstand er die Worte des Marinesekretärs George Bancroft. Dieser hatte angeordnet, dass die neue Marineakademie der Vereinigten Staaten hier errichtet werden sollte, und den Platz als einen gesunden Ort bezeichnet, weit weg von den Versuchungen und Ablenkungen der Großstadt.
    Nach dem Frühstück hatte Scott zwanzig Minuten Zeit, um sich zu waschen und umzuziehen. Danach nahm er an seiner ersten Unterrichtsstunde teil.
    Der Lehrer für Navigation, Kapitän Franklin Parlain, war ein alter Seebär. Seine Haut war gegerbt und seine Stirn von den charakteristischen Falten eines Mannes gezeichnet, der stundenlang unter der prallen Sonne den Horizont abgesucht hatte.
    Von seinem Platz an einem der Fenster aus betrachtete Scott das Ufer des Severn River. Auf einmal fühlte er sich zurückversetzt nach Harvard, in den Philosophiekurs des exzentrischen Professors Larrabee. Von jenem Klassenzimmer aus hatte er nämlich den friedlichen Charles River und im Hintergrund die Stadt Boston sehen können. Er verspürte Heimweh. Um diese Zeit waren seine Freunde sicher schon im Wirtshaus, um bei einem Krug Bier zu diskutieren, wie man die Welt von ihren Übeln befreien konnte. Er musste unbedingt einen Weg finden, diesen absurden Ort zu verlassen und in sein normales Leben nach Harvard zurückzukehren. Tief in diese Gedanken versunken, beachtete er kaum die Zeichnungen und Zahlen an der Tafel.
    «Mr. O’Flanagan?»
    Vorsichtig stieß Richard seinen neuen Pultnachbarn an. Aber es war schon zu spät.
    «Sie wirken gelangweilt, Mr. O’Flanagan.»
    Scott lächelte entschuldigend. Aber an diesem feindlichen Ort nutzte ein Lächeln rein gar nichts.
    «Würden Sie bitte meine Frage beantworten.»
    «Es tut mir leid, Sir.»
    «Mr. O’Flanagan, ich rate Ihnen, fleißig zu sein», sagte Parlain scharf. «Im Vergleich zu Ihren Kommilitonen liegen Sie weit zurück, und Sie sollten nicht glauben, dass Ihnen eine Sonderbehandlung zuteilwird, nur weil Sie anderthalb Monate nach Beginn des Studienjahrs aufgenommen wurden.»
    «Es tut mir leid», entschuldigte Scott sich noch einmal.
    «Mr. O’Flanagan, entschuldigen Sie sich nicht so ausgiebig, sondern passen Sie lieber auf. Mr. Reemick, können Sie mir eine Antwort geben?»
    Richard studierte rasch die Aufzeichnungen an der Tafel und verglich sie mit seinen eigenen Notizen.
    «Ich glaube, man müsste in Richtung Norden wenden.»
    «Präzision, Mr. Reemick.»
    Richard zögerte. «… Dreißig Grad?»
    Parlain hob leicht die Augenbrauen, als er das Ergebnis hörte. Er murmelte etwas Unverständliches und wandte sich der Tafel zu, auf die er Richards Antwort schrieb und mit vier geraden Linien umrahmte.
    «Dreißig Grad. Weder neunundzwanzig noch einunddreißig», wiederholte der Lehrer und unterstrich das Resultat noch einmal dick. «Es ist eigentlich so einfach, wie das Steuerrad zu drehen», sagte er mit lauter Stimme. «Das nächste Mal, wenn Sie in seichtem Wasser zwischen Riffs navigieren, sollten Sie daran denken. Wir wollen doch nicht, dass Haifischfutter aus Ihnen wird.»
    Ohne ein weiteres Wort legte er die Kreide auf den Schreibtisch und verließ das Klassenzimmer. Seine Studenten erhoben sich zum Gruß.
    «Pass bloß auf, Scott», warnte Richard ihn. «Parlain hat den Ruf, der härteste Lehrer der Akademie zu sein. Wenn du ihm unangenehm auffällst, könnte dein Leben

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