Fesselnde Entscheidung (German Edition)
auch noch nichts von dem Vollpfosten am Empfang gehört, der die Überwachungskameras auswerten sollte. Und heute meldet der sich auch noch krank.«
»Seit wann arbeitet der für dich?«
»Keine Ahnung, schon länger. Warum?«
»Nur so. Wie ist sein Name?«
»Krüger. Matthias mit Vornamen, glaube ich.«
»Du meinst doch nicht ernsthaft, dass der etwas mit der Sache zu tun hat, oder?«
»Keine Ahnung. Wir müssen alles in Betracht ziehen. Du glaubst nicht, was ich schon alles erlebt habe. Ich muss jetzt Schluss machen, bis heute Abend.«
»Ja, bis dann!«
Obwohl die Verbindung beendet war, schaute Schulte weiterhin das Display des Handys an. Wie es jetzt wohl seiner Elli ging? Er hatte es nicht geschafft, die volle Lösegeldforderung zu erfüllen. Ein erdrückendes Gefühl der vollkommenen Machtlosigkeit machte sich in ihm breit. Er schloss die Tür wieder auf und ging zu seinem Schreibtisch zurück. Nachdem er sich hingesetzt hatte, wählte er die Durchwahl von Frau Seibel. Endlich war sie da und er bat sie, ihm die private Telefonnummer von Herrn Krüger herauszusuchen und ihm persönlich zu bringen.
15. Kapitel - Dienstag, 09.09.
Elisa war wie in eine andere Welt versunken. Sie sah die atemberaubende Schönheit der afrikanischen Savanne vor sich. Die Sonne veränderte sich von einem grellen Kreis am Himmel zu einer blutroten Scheibe, die langsam am Horizont versank. So weit das Auge reichte, sah sie die karge Steppenlandschaft vor ihrem geistigen Auge. Überall verdorrtes Gras, vereinzelt vertrocknete Bäume, die den Kampf gegen die sengende Hitze längst aufgegeben hatten.
In weiter Ferne erblickte sie ein paar Lehmhütten, eine handvoll Dorfbewohner saßen davor, eine alte gebückte Frau kochte etwas auf einer offenen Feuerstelle. Kleine Kinder mit kugelrunden Bäuchen tobten herum, spielten im Dreck.
Elisas Herz wurde schwer, sie wusste, dass sie aufgrund der massiven Unterernährung an einem Hungerödem, eine Art Wassersucht, litten. Wie konnte es sein, dass in der heutigen Welt, wo es alles im Überfluss gab, immer noch alle fünf Sekunden ein Kind unter zehn Jahren verhungern musste? Sie senkte den Blick und dachte an die unzähligen AIDS-Waisen. Mehr als elf Millionen afrikanische Kinder hatten ihre Eltern bereits an AIDS verloren. Tendenz steigend, weil viele Menschen einfach immer noch keinen Zugang zu den notwendigen Medikamenten hatten.
Unweigerlich musste Elisa an ihre Mutter denken. Sie hatte den AIDS-Waisen helfen wollen, hatte ihnen Entwicklungshilfe leisten – und vor allem den AIDS-Kranken, die so dringend benötigten Medikamente direkt vor Ort zur Verfügung stellen wollen – ohne die afrikanische Korruption und Vetternwirtschaft fürchten zu müssen.
*
Ihre Mutter war eine starke, großartige Frau gewesen, die viel zu früh sterben musste. Sehr gut erinnerte sich Elisa noch an den Tag, an dem sie für immer die Augen schloss. Es war nicht ihr Todestag, sondern der Tag an dem sie sediert und ins künstliche Koma versetzt worden war. Elisa war sich damals bewusst gewesen, dass sie unter Umständen nie wieder mit ihrer Mutter werde sprechen können, nie mehr ihren Rat einholen und nie mehr ihre bedingungslose Liebe spüren werde. Dennoch hatte sie die Hoffnung gehabt, dass alles wieder gut werden würde. Die Hoffnung starb zwei Tage später, um 19:39 Uhr. Für Elisa hatte in diesem Moment die Welt still gestanden. Sie hatte nicht verstehen können, wie die Sonne einfach weiter scheinen, die Welt sich einfach weiter drehen konnte – als wenn nichts geschehen wäre. Etwas Unfassbares war geschehen, ihre Mama war ganz still und leise für immer von ihr gegangen.
Erst nach und nach war Elisa bewusst geworden, wie viele Fragen sie ihrer Mutter noch hatte stellen wollen, und dass sie nie wieder Antworten von ihr bekommen werde. Nie wieder. Plötzlich war sie auf sich allein gestellt gewesen. Von heute auf morgen.
Zu ihrem Vater hatte sie nie ein sehr enges Verhältnis aufgebaut. Er war mit der Firma verheiratet. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass er in ihrer Kindheit jemals mit ihr auf einem Spielplatz oder im Schwimmbad gewesen war. Stattdessen hatte sie von ihm alle materiellen Dinge bekommen, die sie sich nur gewünscht hatte, vom riesigen Barbie-Haus bis hin zum individuellen Sprungbrett für den Pool. Aber das, was sie wirklich gewollt hatte, hatte er ihr nicht gegeben: seine bedingungslose Liebe.
*
Elisas Tränen waren vor einiger Zeit getrocknet. Sie
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