Fesselnde Entscheidung (German Edition)
zugeschlagen und sie sich selbst überlassen. Erst erleichtert, dann enttäuscht hatte sie festgestellt, dass die Säge nicht mehr da war, um sie als Waffe benutzen zu können.
Nach und nach hatte sich ihr Herzschlag wieder beruhigt. Sie hatte wieder angefangen, die Wassertropfen zu zählen und sich unentwegt gefragt, wo wohl deren Ursprung sei, um sich abzulenken, um keine anderen Gedanken zuzulassen.
Dieses Mal war sie mit der Kälte im Keller besser zurechtgekommen. Sie war ständig auf und ab gelaufen und hatte ihre Hände und Füße ununterbrochen bewegt, wenn sie sich doch mal hingesetzt hatte. Im Vergleich zu ihrem letzten Kelleraufenthalt hatte sie den riesengroßen Vorteil, keine verbundenen Augen zu haben.
Als er die Tür nach einer Weile wieder aufgesperrt hatte, war sie zwar wieder zusammen gezuckt und ihr Herz hatte auch erneut schneller zu schlagen begonnen, aber dennoch war das panische Angstgefühl verschwunden.
Sicherlich hatte er auf den ersten Blick bemerkt, dass sie es mit einer gewissen Akrobatik geschafft hatte, ihre auf dem Rücken aneinander geketteten Hände irgendwie vor ihren Körper zu bekommen. Wortlos hatte er ihr einen am Boden mit Wasser bedeckten Eimer – wahrscheinlich als Toilettenersatz – zwei große Wasserflaschen, eine Packung Zwieback und den schwarzen Schlafsack gebracht.
Er hat dazu gelernt, hatte sie gedacht, die Flaschen waren aus Plastik. Vorläufig würde sie also nicht verhungern oder verdursten.
Hunger hatte sie keinen gehabt, aber dennoch war die Packung über den Tag verteilt am Abend doch leer gewesen. Mit dem Wasser war sie sparsam umgegangen.
Gegen Abend – so hatte sie zumindest vermutet – hatte er noch mal nach ihr geschaut. Das ohnehin spärliche Licht, was durch das verschmutze Fenster hindurch kam, war noch weniger geworden. Er hatte sich im Schneidersitz ihr gegenüber vor die Tür gesetzt und sie nachdenklich angesehen. Dann hatte er ihr in wenigen Worten erzählt, worum es ihm ging.
Sie war für ihn nur der Mittel zum Zweck, nicht mehr und nicht weniger. Irgendwie hatte sie das beruhigt. Obwohl eine unbekannte Variable blieb. Sie war sich keineswegs sicher, ob ihr Vater tatsächlich für sie zahlen würde. Sie hatte sich dann aber mit dem Gedanken beruhigt, dass ihr Vater trotz allem sein eigen Fleisch und Blut nicht opfern werde, noch nicht mal für die Firma.
Nachdem er gegangen war, war sie in einen leichten Dämmerschlaf gefallen, war teilweise wie in eine andere Welt versunken, hatte an ihre Mutter, ihren Vater und das Projekt gedacht und war irgendwann erschöpft eingeschlafen.
*
Als er am nächsten Morgen die Tür aufschoss, zuckte sie nicht mehr zusammen.
»Wie war die Nacht?«, erkundigte er sich freundlich, wie sie fand. Sein Gesicht verbarg er weiterhin unter der Sturmhaube.
»Geht so, aber der Schlafsack war gut.«
»Willst du mal ins Bad?«
Sie nickte und richtete sich allmählich auf. Er hielt ihr die Tür auf und winkte sie mit einer Handbewegung hindurch. Langsam schritt sie die Stufen vor ihm hoch. Ihre Knochen waren von dem harten ungewohnten Boden noch ganz unbeweglich und steif. Sie kannte den Weg und ging ins winzige Bad. Sofort erkannte sie, dass es nun Handtücher, Seife und Toilettenpapier gab. Scheinbar hatte er es sich wohnlich gemacht, dachte sie.
Sie drehte sich zu ihm um.
»Ich würde mich gern waschen«, sagte sie und hoffte, dass er dies als Aufforderung verstand, den Raum zu verlassen.
»Kein Problem. Ach, warte … .«
Er verschwand kurz gegenüber im Schlafzimmer und reichte ihr dann einen blauen Jogginganzug und dicke schwarze Socken.
»Wenn du möchtest, kannst du das hier anziehen. Musst du natürlich nicht.«
»Danke«, sagte sie, »aber das geht schwer mit den Dingern.«
Sie hielt ihm ihre Handschellen vor seine Sturmhaube.
Sein Blick wanderte vom kleinen Badezimmerfenster zu ihr und wieder zurück, als ob er überlegte, ob sie sich mit ihrem zarten Körper durch das Fenster zwängen könne.
»Ich werde es nicht versuchen. Wirklich nicht. Ich weiß doch noch nicht mal, was sich dahinter verbirgt.«
Scheinbar gab er sich einen Ruck, denn er zog einen kleinen Schlüssel aus seiner Jeanshose, umfasste ihre Handgelenke und schloss die Schellen auf.
Das Gefühl der plötzlichen Freiheit beflügelte sie, motivierte sie fast zu einem neuerlichen Fluchtversuch. Zugleich zügelte sie sich aber, diesmal wollte sie es geschickter angehen lassen und nichts überstürzen.
»Mach keinen Scheiß!«,
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