Fesselnde Entscheidung (German Edition)
in ihr ausbreitete.
Er führte sie an ihrer Handschelle aus dem Bad, sie folgte ihm im Schneckentempo hinterher hinkend. Gegenüber vom Bad stand eine Tür offen. Im Licht seines Handscheinwerfers entdeckte sie eine grünlich verfärbte siebziger Jahre Tapete mit bräunlichen geometrischen Formen, teilweise hingen Fetzen herunter. Sie hatte den Eindruck, sich in einem alten verlassenen Bauernhaus zu befinden. Plötzlich erstarrte sie und blieb abrupt stehen. Er führte sie in das Schlafzimmer der ehemaligen Bewohner. Ein massives Eichenbett sprang ihr sofort ins Auge. Die Matratze war mit einem durchlöcherten grauen Laken überzogen. Darauf lag ein schwarzer aufgeschlagener Schlafsack. Den antiken Kleiderschrank auf der gegenüberliegenden Seite nahm sie nur am Rande wahr. Die Pistole auf dem Nachtisch dafür umso mehr.
„NEIN“, schrie sie, „nein!“
Sie blickte mit weit aufgerissenen Augen abwechselnd vom Bett zu ihm hin und her und wollte sich von ihm losreißen.
„Keine Panik!“, versuchte er sie zu beruhigen und hielt sie am Arm fest, „eigentlich wollte ich hier schlafen. Ich wusste nicht, dass es im Keller so kalt ist. Du hast die Wahl: entweder schläfst du hier oben bei mir oder ich bringe dich wieder in den Keller. Deine Entscheidung.“
Als ob er ihre Gedanken lesen konnte, fügte er leise hinzu, „ich werde dich nicht anfassen, keine Sorge.“
Sie schaute ihn an und atmete langsam tief durch. Nie hätte sie es für möglich gehalten, in so einer Situation ernsthaft die Optionen abzuwägen. Ihr Körper lechzte nach dem Bett und vor allem der Wärme. Allein der Gedanke an den Keller ließ sie noch mehr frösteln, als sie es ohnehin schon tat. Doch wie konnte sie sich fast freiwillig in ein Bett mit ihrem Peiniger legen? Womöglich auch noch Seite an Seite? Was war schlimmer – seine unmittelbare Nähe oder die grausame Kälte? Eigentlich war es egal, wie sie sich entscheiden würde, denn so oder so, da war sie sich sicher, sie würde sich falsch entscheiden.
„Was hast du mit mir vor“, wiederholte sie leise ihre Frage von vorhin.
„Entscheide dich: hier oben oder unten.“
Sie zögerte, war hin und her gerissen, unfähig, eine Entscheidung zu treffen. Wer weiß, wann er im Keller wieder nach ihr sehen würde? Wenn sie erfroren war? Unentwegt stellt sie sich immer wieder eine Frage: Was war schlimmer, vergewaltigt zu werden oder vor Kälte zu sterben? Sie entschied sich für Letzteres.
„Wenn du mich wirklich nicht anfasst, bleibe ich hier.“
„Okay, dann leg dich hin. Ich muss versuchen, deinen Arm irgendwie am Bettpfosten zu befestigen.“
Während sie langsam zum Bett ging, überlegte sie kurz, ob sie es schaffen würde, sich schnell die Pistole vom Nachttisch zu greifen. Aber sie entschied sich dagegen. Ihre Angst vor seiner Unberechenbarkeit ließ sie es nicht wagen. Stattdessen setzte sie sich auf den rechten Bettrand und schaute ihn erwartungsvoll an. Als er an sie herantrat, nahm sie schnell ihre Beine hoch, schob sich zur Bettmitte und legte sich auf die linke Seite. Ihren linken Arm hielt sie ihm gehorsam nach oben Richtung Kopfende. Er setzte sich zu ihr und beugte sich halb über sie, um das Pendant zu ihrer Handschelle irgendwie zwischen den Sprossen des Kopfteils zu befestigen. Da diese relativ breit waren, passte die Öffnung der Handschelle kaum herum und rutschte immer wieder ab. Sie nahm seinen Geruch wahr. Eine Mischung aus langsam versagendem Deo und frischem Schweiß. Wieder überlegte sie, ob sie ihn weg schubsen sollte, um dann zu versuchen irgendwie zu fliehen. Aber ihre Angst war zu groß. Sie wagte es nicht, war sich seiner Übermacht zu bewusst. Ihr war immer noch unendlich kalt, ohne Unterlass klapperten ihre Zähne aufeinander, sie bibberte am ganzen Körper. Schließlich gab er sein Vorhaben entnervt auf und ließ die Handschelle stattdessen um sein rechtes Handgelenk einrasten. In diesem Moment bereute sie bereits ihre vor wenigen Minuten getroffene Entscheidung, nicht dem Keller den Vorrang eingeräumt zu haben. Er legte sich zu ihr, zog den Schlafsack über sie beide und ließ dann seinen rechten Arm am Fuße ihres Bauches nieder. Soviel zu nicht anfassen, dachte sie. Ihre aneinander geketteten Hände berührten sich kurz. Sie hatte aber dennoch das Gefühl, dass er bewusst versuchte, so weit wie möglich eine körperliche Distanz zu ihr zu halten.
„Dreh dich jetzt nicht mehr um. Ich nehme meine Maske ab. Mit dem Ding kann ich nicht schlafen.“
Die
Weitere Kostenlose Bücher