Fesselnde Entscheidung (German Edition)
gewünschten Ort.“
„Wo werden sie Elli freilassen?“
„Erst mal müssen wir abwarten, wie sie darauf reagieren, wenn sie nicht sofort die volle Summe erhalten.“
„Was, wenn sie Elli …“, Schulte`s Stimme versagte.
„Das werden sie schon nicht. Die wollen das Geld. Das ganze Geld.“
„Soll ich denen einen Brief schreiben, dass ich noch nicht alles zusammen habe, oder was?“
„Nein, nein, das mache ich schon. Kümmere du dich nur um das Geld, den Rest erledige ich.“
„Gut, … danke, Oskar. Wenn ich ein bisschen mehr Zeit kriege, komme ich eher an mehr Geld – über die Firma, weißt du? Das geht nur leider nicht von heute auf morgen. Das ist alles …“, Schulte brach verzweifelt ab.
„Du hast nichts mehr von den Entführern gehört?“
„Nein, gar nichts. Hätte ich?“
„Nein, aber hätte ja sein können. Ist dir irgendetwas eingefallen, was uns auf die Spur der Täter bringen könnte?“
„Nicht wirklich. Leider habe ich auch noch nichts von dem Vollpfosten am Empfang gehört, der die Überwachungskameras auswerten sollte. Und heute meldet der sich auch noch krank.“
Oskars Aufmerksamkeit wurde geweckt.
„Seit wann arbeitet der für dich?“
„Keine Ahnung, schon länger. Warum?“
„Nur so. Wie ist sein Name?“
„Krüger. Matthias mit Vornamen, glaube ich.“
„Du meinst doch nicht ernsthaft, dass der etwas mit der Sache zu tun hat, oder?“
„Keine Ahnung. Wir müssen alles in Betracht ziehen. Du glaubst nicht, was ich schon alles erlebt habe. Ich muss jetzt Schluss machen, bis heute Abend.“
„Ja, bis dann!“
Obwohl die Verbindung beendet war, schaute Schulte weiterhin das Display des Handys an. Wie es jetzt wohl seiner Elli ging? Er hatte es nicht geschafft, die volle Lösegeldforderung zu erfüllen. Ein unbehagliches Gefühl machte sich in ihm breit. Er schloss die Tür wieder auf und ging zu seinem Schreibtisch zurück. Nachdem er sich hingesetzt hatte, wählte er die Durchwahl von Frau Seibel und bat sie, ihm die private Telefonnummer von Herrn Krüger herauszusuchen und ihm persönlich zu bringen.
15. Kapitel - Dienstag, 09.09.
Elisa war wie in eine andere Welt versunken. Sie sah die atemberaubende Schönheit der afrikanischen Savanne vor sich. Die Sonne veränderte sich von einem grellen Kreis am Himmel zu einer blutroten Scheibe, die langsam am Horizont versank. So weit das Auge reichte, sah sie die karge Steppenlandschaft vor ihrem geistigen Auge. Überall verdorrtes Gras, vereinzelt vertrocknete Bäume, die den Kampf gegen die sengende Hitze längst aufgegeben hatten. In weiter Ferne erblickte sie ein paar Lehmhütten, eine handvoll Dorfbewohner saßen davor, eine alte gebückte Frau kochte etwas auf einer offenen Feuerstelle. Kleine Kinder mit kugelrunden Bäuchen tobten herum, spielten im Dreck.
Ihr Herz wurde schwer, sie wusste, dass sie aufgrund der massiven Unterernährung an einem Hungerödem, eine Art Wassersucht, litten. Wie konnte es sein, dass in der heutigen Welt, wo es alles im Überfluss gab, immer noch alle fünf Sekunden ein Kind unter zehn Jahren verhungern musste? Sie senkte den Blick und dachte an die unzähligen AIDS-Waisen. Mehr als elf Millionen afrikanische Kinder hatten ihre Eltern bereits an AIDS verloren. Tendenz steigend, weil viele Menschen einfach immer noch keinen Zugang zu den notwendigen Medikamenten hatten. Unweigerlich musste Elisa an ihre Mutter denken. Sie hatte den AIDS-Waisen helfen wollen, hatte ihnen Entwicklungshilfe leisten – und vor allem den AIDS-Kranken, die so dringend benötigten Medikamente direkt vor Ort zur Verfügung stellen wollen – ohne die afrikanische Korruption und Vetternwirtschaft fürchten zu müssen.
*
Ihre Mutter war eine starke, großartige Frau gewesen, die viel zu früh sterben musste. Sehr gut erinnerte sich Elisa noch an den Tag, an dem sie für immer die Augen schloss. Es war nicht ihr Todestag sondern der Tag an dem sie sediert und ins künstliche Koma versetzt worden war. Elisa war sich damals bewusst gewesen, dass sie unter Umständen nie wieder mit ihrer Mutter würde sprechen können, nie mehr ihren Rat einholen und nie mehr ihre bedingungslose Liebe spüren würde. Dennoch hatte sie die Hoffnung gehabt, dass alles wieder gut werden würde. Die Hoffnung starb zwei Tage später, um 19:39 Uhr. Für Elisa hatte in diesem Moment die Welt still gestanden. Sie hatte nicht verstehen können, wie die Sonne einfach weiter scheinen, die Welt sich einfach weiter drehen konnte –
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