Fesselnde Liebe - Teil 1 (German Edition)
Familienangehörigen vorbei auf den gelangweilt in die Gegend schauenden Mann zu. Sein Profil erinnert mich an einen Raben, mit einer langen, nach unten gekrümmten Nase und einem vorspringenden Kinn.
»Ich bin Gwendolyn Hamlin«, sage ich lauter als nötig und schenke ihm ein strahlendes Lächeln. Ich bin immer noch so aufgeregt, dass mein Herz wummert wie nach einem heftigen Sprint, aber das sieht man mir hoffentlich nicht gleich an.
»Herzlich willkommen. Ich soll Sie abholen.«
Ach was? Ich dachte, er wäre hier, um mir ein Ständchen zu bringen. Ganz selbstverständlich drücke ich ihm meine Reisetasche in die Hand und hoffe, dass man das so macht, dann folge ich ihm durch die Menschenmenge nach draußen. Stumm gehen wir durch den Nieselregen an der langen Taxischlange vorbei zu einem Kurzzeitparkplatz. Wow, alles perfekt geplant. Ob der Typ für ihn arbeitet? Oder ist er einer von diesen Chauffeurdiensten, die man bestellen kann?
Er scheint nicht besonders redselig zu sein, und meine Abneigung gegen Smalltalk hindert mich daran, ein Gespräch anzufangen. Außerdem bin ich so nervös, dass mir nun wirklich gar nichts einfällt. Die Fensterscheiben sind getönt, sodass ich nur schemenhaft die Umgebung der Autobahn erkenne, über die wir jetzt mit erhöhter Geschwindigkeit fahren. Am Sonntagabend kann man anscheinend sogar in London schneller als im Schritttempo unterwegs sein.
Ich hole mein Handy aus der Handtasche und tippe eine SMS an Cat. Ich habe ihr versprochen, mich zu melden, damit sie weiß, dass alles in Ordnung ist und ich nicht in einem geheimen Folterkeller gelandet bin.
In der Reisetasche, die jetzt im Kofferraum kutschiert wird, befinden sich unter anderem sämtliche Bücher von John Karry. Ich werde sie mir signieren lassen, dann kann ich sie später meinen Enkeln vererben.
Ich kenne mich nicht besonders gut aus in London. Die Straßenlaternen am Rand der Autobahn, die aus dem Flieger wie eine rote Schlange von Glühwürmchen ausgesehen haben, zaubern Feuerbälle in den Nebel, der sich langsam über die Stadt senkt. Meine Füße zappeln ungeduldig, ich kann einfach nicht still sitzen, wenn ich nicht weiß, was mich erwartet.
Mein kleines Herz schlägt mir bis in den Hals, als der Fahrer den Mercedes eine Dreiviertelstunde später in eine mehrspurige Straße lenkt und vor vier kirchturmhohen Glastürmen mit mindestens zwölf Etagen hält, die sich wie Raumschiffe zwischen alte viktorianische Gebäude gequetscht haben.
Ich schiele aus dem Fenster nach oben und stelle fest, dass die Glaskästen alle miteinander verbunden sind. Ich habe keine Ahnung, wo wir sind, offenbar ist das Haus mitten in London in einem recht vornehmen Viertel. Zumindest entdecke ich einige teure Markenboutiquen, und wenn ich mich nicht täusche, sind wir eben an Harrods vorbeigefahren?
»Wo genau sind wir hier?«, frage ich, als der Rabenmann mir die Tür aufhält.
»Am Apartment von Mr Moore.« Ach nee? Ich dachte, wir wären im Tower von London.
Ich klettere aus dem Wagen und sehe noch einmal die hohe Fassade hinauf, bevor ich nach dem Stadtteil frage .
»Knightsbridge, Hyde Park«, erklärt er kurz angebunden und begleitet mich, meine Reisetasche in der Hand, zu einer Eingangstür, die von zwei männlichen Kleiderschränken in schwarzen Anzügen bewacht wird. Einer der beiden spricht anscheinend mit seiner Armbanduhr, bevor er dem Fahrer zunickt und die Türen sich mit leisem Zischen öffnen.
Dann stehe ich in einer Lobby, die ungefähr zehnmal so groß ist wie unsere Wohnung in Newcastle und ganz aus glänzendem Marmor und dunklem Eichenholz besteht. Offensichtlich musste ein ganzer Wald dran glauben, um das hier zu realisieren! Unfassbar. Hinter einer futuristischen, ovalen Glastheke sitzt ein junger Mann in Uniform. Er hebt kurz den Kopf, als wir uns ihm nähern, dann deutet er mit dem Kinn auf einen von fünf Aufzügen aus Glas. »Mr Moore erwartet Sie.«
Oh Gott. Ich komme mir vor wie eine Besucherin in einer königlichen Raumfahrtstation. Wahrscheinlich springt aus dem Lift gleich ein hypermoderner Pierrot, um mich nach oben zu begleiten. Doch der großzügige, vollständig verspiegelte Fahrstuhl ist leer. In meinem Magen kribbelt eine Horde von Ameisen, und meine Finger fühlen sich an, als wären sie kurz vorm Absterben.
Im Lift drückt der Fahrer auf den oberen Knopf und gibt verdeckt einen Zahlencode in eine Tastatur ein. Okay, offenbar ist spontaner Besuch hier nicht möglich. Wie unpraktisch.
Der
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