Fesselnde Liebe - Teil 1 (German Edition)
sie ein Baby war, und ich habe ihre Windeln gewechselt. Meine Mutter litt unter einer schweren postnatalen Depression, was wir damals alle nicht wussten und daher nicht verstanden. Jedenfalls war sie nicht in der Lage, sich um ihr Kind zu kümmern und vernachlässigte sie. Also sprang ich für sie ein und übernahm ihre Rolle.
Carol war ein wunderhübsches Mädchen, unglaublich fröhlich. Ich glaube, ich habe sie wenige Male im Leben weinen sehen, sogar als Säugling hat sie häufiger gelacht als geschrien. Ich habe ihr verziehen, dass sie meine Matchboxsammlung in kleinkindlicher Wut gegen die Wand gedonnert und zerstört hat, und ich habe ihr nie die Schuld daran gegeben, dass sie der Sonnenschein der Familie war, um den sich alles drehte.«
Er verstummt, seine Hand streichelt mechanisch über meinen Rücken, während er mich mit der anderen enger zu sich heranzieht. Meine Unterlippe zittert. Ich sehe ihn an und warte geduldig, dass er weiterspricht.
»Natürlich kam die Zeit, in der ich meine ersten Freundinnen nach Hause brachte und von dem kleinen Kind genervt war. Sie hing an mir wie eine Klette, und zu meinem Leidwesen beschäftigten sich meine Freundinnen oft mehr mit ihr als mit mir, wenn sie da war. Ich habe sie gewähren lassen und sie selten aus meinem Zimmer verbannt. Nur dann, wenn ich Dinge vorhatte, die nicht für Kinderaugen gedacht waren.«
Er grinst traurig.
»Als mein Stiefvater an einem Herzinfarkt verstarb, war ich der Mann im Haus und nicht nur für sie, sondern auch für meine Mutter verantwortlich. Die tröstete sich schnell über den Verlust und lernte bald einen anderen kennen. Im Gegensatz zu Carol, die sich noch stärker an mich klammerte und kurz vor der Pubertät heftige Verlustängste entwickelte, obwohl sie den Tod ihres Vaters seltsam gefasst aufgenommen hatte. Sie war so unschuldig, von einer Reinheit, dass es mich in der Seele schmerzte, sie zu beobachten. Ich dagegen ... nun ja, sagen wir, ich war in meiner Jugend das genaue Gegenteil von ihr.«
Sein Lächeln dringt nicht bis zu den Augen vor, trotzdem versuche ich, es zu erwidern und fahre mit der Hand in seine Haare. Ein Bild vom jugendlichen Adrian, rebellisch, selbstbewusst, sicher, die Welt zu erobern, taucht vor meinem inneren Auge auf.
Ich hänge an seinen Lippen, gierig, mehr von ihm zu erfahren. Obwohl ich nackt bin, ist das Machtgefälle zwischen uns in diesem Moment verschwunden. Ich spüre, dass er sich mir öffnet und mich einlassen will, und das lässt mein Herz noch heftiger schlagen als alles zuvor Erlebte.
»Natürlich zog ich mit Anfang zwanzig trotzdem aus. Ich war jung, wollte studieren und Schriftsteller werden. Ich tat alles dafür und schrieb in jeder freien Minute, wenn ich nicht gerade las oder mit Frauen ... du weißt schon. Ich hatte das Gefühl, etwas erleben zu müssen, um darüber schreiben zu können.«
Er wirkt ein wenig verlegen bei den letzten Worten. Süß. Als ob ich nicht längst wusste, dass ein Mann mit solcher Schönheit Gelegenheiten nutzen würde, ja vielleicht sogar musste.
»Sprich dich ruhig aus«, necke ich ihn, werde aber sofort ernst, weil ich weiß, dass ihm diese Unterhaltung schwerfällt.
»Vor vier Jahren fuhr meine Mutter mit ihrem neuen Ehemann in den Urlaub. Karibik, sechs Wochen. Eine Segeltour auf einer großen Yacht. Im Gegensatz zu ihren vorherigen Ehemännern hatte sie sich diesmal ein reiches Exemplar geschnappt, das sie ausnutzen konnte. Ich weiß, das klingt hart für dich, ich bin nicht verbittert ihr gegenüber. Ich verstehe sie heute sogar und wir kommen miteinander aus. Damals aber bat sie mich, in der Zeit ein Auge auf Carol zu haben. Sie war kurz vor ihrem sechzehnten Geburtstag, ein anständiges Mädchen, gut in der Schule mit vielen sportlichen Hobbys. Es gab keinen Grund zur Sorge. Sie war ein Sonnenschein, hatte ihr Gemüt durch die Pubertät gerettet. Es gab keinen Grund für mich, in der Zeit nach Hause zurückzugehen, stattdessen fuhr ich einmal am Tag vorbei und sah nach dem Rechten. Es gab Personal im großen Haus, das sich um Blumen, Tiere und um Carols Mahlzeiten kümmerte, aber ich wollte sicherstellen, dass sie nicht einsam war. Nach meinen Besuchen fuhr ich in meine eigene Wohnung zurück und ... lebte.«
Ich ahne, was er mit leben meint, und mir wird ein bisschen schwindelig auf seinem Schoß. Was um alles in der Welt ist mit Carol passiert?
»Von einem Freund wusste ich nichts. Er war ein paar Jahre älter als sie, Student, und ein
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