Fesselnde Liebe - Teil 1 (German Edition)
die in seinen langen Wimpern hängt. Obwohl ich keine Geschwister habe kann ich mir vorstellen, wie schlimm das für ihn gewesen sein muss. Zumal er sich auch noch schuldig fühlte.
»Sie wurde vergewaltigt, von mehreren Tätern, die jedoch nie ausfindig gemacht werden konnten. Obwohl sie eindeutige Spuren hinterlassen haben, wenn du verstehst ...«
Ich nicke heftig, während mir selbst heiße Tränen in die Augen schießen. Ich sehe die junge, lebenslustige Carol vor mir, wie sie kämpft und sich wehrt. Höre ihre hoffnungslosen Schreie ...
»Die Polizei nahm Proben von zahlreichen jungen Männern der Stadt, aber es war kein Täter darunter. Die Spur zu ihrem damaligen Freund verlief ins Leere, bis auf Carols beste Freundin kannte ihn niemand, und die wusste nur seinen Vornamen. Und es gab ein Foto, das Carol in ihrem Portemonnaie mit sich trug. Niemand weiß genau, was geschehen ist und wer dabei war.«
»Wie ... wie ist sie gestorben?«, flüstere ich.
»Sie ist an ihren inneren Verletzungen gestorben. Wie ein Tier, irgendwo im Wald hinter dem Club außerhalb der Stadt. Keiner hat ihr geholfen, niemand hat ihre Schreie gehört. Niemand wollte etwas mitbekommen haben. Meine kleine Schwester ... zu Tode geschändet von brutalen Bestien.«
Adrian ballt eine Hand zur Faust und knirscht so heftig mit den Zähnen, dass ich zusammenzucke. Hastig schmiege ich mich wieder dicht an ihn und halte ihn, so wie er mich sonst hält. Schlinge meine nackten Arme um seinen kühlen Nacken und versuche, seine Tränen mit meinem Gesicht zu trocknen.
»Oh Gott, es tut mir so leid. Das ist einfach schrecklich.«
»Das ist es. Und das Schlimmste daran ist, dass ich die Schuld dafür trage.«
»Das stimmt nicht!«, rufe ich entsetzt. »Adrian, bitte! Du konntest nicht ahnen, was passiert war! Sie war so vernünftig, wie hättest du wissen können, dass sie dich braucht?«
Er stöhnt wie unter Schmerzen, die Wange, die sich so dicht an meine presst, wird heißer und feuchter.
»Ich hätte für sie da sein müssen. Ich sollte auf sie aufpassen, stattdessen habe ich mein Leben mit ... mit wertlosem Sex vergeudet.«
»Du warst ein junger Mann und hattest ein Recht auf ein eigenes Leben! Erst recht, nachdem du dich so lange um deine Familie gekümmert hast.«
»Andere Männer in dem Alter sind verheiratet und haben eine eigene Familie, Kinder, für die sie Verantwortung tragen. Ich war einfach egoistisch und vergnügungssüchtig, Gwen. Es gibt keinen Grund für dich, die Sache schönzureden. Ich weiß, was ich getan habe, und ich leide noch heute darunter, glaube mir.«
»Du hast nicht oft darüber gesprochen«, flüstere ich und löse mich so weit von ihm, dass ich ihn ansehen kann. Seine Tränen schmerzen mich.
»Nein, das habe ich nicht«, antwortet er traurig. »Aber es war gut, mit dir zu sprechen.«
Wir küssen uns, zärtlich und vorsichtig. Wie zwei junge Menschen, die noch neugierig sind auf die Reaktion des anderen und keine Ahnung haben von dem, was sie da gerade tun.
»Danke, dass du es mir erzählt hast.«
»Oh, Gwen.« Er zieht meinen Kopf an seine Brust und streichelt mein Haar, lässt einzelne Strähnen bedächtig durch seine Finger gleiten. »Ich wollte dich damit nicht belasten. Es tut gut zu wissen, dass ich dieses dunkle Geheimnis losgeworden bin.«
»Adrian, es war nicht deine Schuld!«, beteuere ich erneut, weil ich davon überzeugt bin. Die Frage, was aus den Tätern wurde und ob seine Mutter ihn ebenfalls für Carols Tod verantwortlich machte, nagt in mir, aber ich wage nicht, sie zu stellen. Vielleicht eines Tages ...
»Hast du mich hierher geholt, weil ich ihr ähnlich bin?«, frage ich leise. Eine kalte Hand legt sich um meinen Magen und presst ihn zusammen, dass mir die Luft wegbleibt.
»Nein. Und ja. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich vom ersten Moment an von dir fasziniert war. Damals, auf der Buchmesse, als ich deine Worte hörte und nicht einmal dein Gesicht gesehen hatte. Ich blieb wie von einem unsichtbaren Magneten angezogen hinter dir stehen und lauschte, und als du dich dann zu mir umdrehtest ... dieses Gesicht, Kleines. Dieses wunderschöne, unverdorbene Gesicht. Wie ein unbeschriebenes Blatt Papier, so rein, so verlockend. Es kam mir vor, als hätte niemand zuvor seine Handschrift hinterlassen und weckte in mir das Verlangen, genau dies zu tun. Die Seiten zu füllen mit Leben, mit Lust. Vielleicht sogar mit Liebe.«
Ich schnappe nach Luft und erstarre unter seiner Umarmung.
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