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Fest der Fliegen

Fest der Fliegen

Titel: Fest der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Heidenreich
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Sir Patrick Geddes, einem fortschrittlichen Mann mit vielen Talenten, ein hochvernünftiges »Soziologisches Labor«, das weniger zur Erbauung als zur Selbsterkenntnis des neuen Menschen gedacht war. »You’ll see«, schloss Gavin seinen historischen Schnellkurs, »nowadays we have trick shows here and the only message you’ll get today is: Never trust your eyes! And now we’ll have a look at the town and how people are living in our streets. I switch off the lights now.« Er rief in die Kuppel hoch, ob alles fertig sei. »No!«, kam es von oben. »Fuck! Ten minutes!«
    Gavin lachte. »So sorry! I beg your pardon. Please wait outside on our beautiful terrace. Or spend some minutes filling in our forms. The winner will get a really nice wooden camera obscura!« Damit entließ er die Gruppe aus der roten Düsternis in den Vorraum und verteilte Formulare, in denen man sich mit Adresse und E-Mail eintragen konnte, um an einem Gewinnspiel für den Holzbaukasten einer handlichen Camera Obscura teilzunehmen. Inzwischen waren weitere Besucher eingetroffen, und Swoboda, der grundsätzlich nirgendwo freiwillig seine Adresse aufschrieb, sah zu, wie die Dame mit dem schrägen Haarschnitt und der schwitzende Herr im roten Hemd die Felder vollständig ausfüllten, während andere, wie auch Martina, lediglich ihre E-Mail eintrugen, wieder andere nur Mobiltelefonnummern. Einige überwiegend ältere Besucher vertrieben sich die Wartezeit auf den Außenterrassen, schwenkten die dort installierten Fernrohre und suchten auf dem Parkplatz vor dem Kastell ihr Auto oder im Stadtbild die Fassade ihres Hotels. Als Gavin schließlich zur Vorführung rief, war der untere Kreis um den Tisch schnell besetzt, einige mussten sich auf den zweiten Rang verfügen, der, um zwei Stufen erhöht, eine gute Aufsicht auf den Tisch bot. Hier, Gavin gegenüber, der mit dem Rücken zur Tür stand und den Steuerungsstab gefasst hatte, konnte Swoboda auf Martina hinuntersehen, die zufällig mit der ersten Gruppe hereingeschoben worden war und neben dem Mann im roten Hemd einen Platz direkt am Tisch gefunden hatte. Sie sah zu ihm auf, er nickte, sie lächelte.
    »My name is Gavin Fettercairn and I have the great pleasure to introduce to you the magic of the Camera Obscura. We have a marvellous bright light outside this noon and an extremely dry air. Therefore you will have a very sharp picture with tiny details on the desk. Which is really unusual for Edinburgh! You are very lucky to be here today! This tower was built in Eighteenfiftythree by Lady Theresa Short …« Noch einmal erfuhren sie, wo sie waren. Dann löschte Gavin die roten Wandleuchten, und allmählich wuchs aus der Tischfläche das versprochene Bild der Stadt. Nach dem langsam geführten Rundblick über die bunten Häuser von Ramsay Garden, die Neustadt und Princess Street Gardens, wo Fettercairn ausführlich auf die Geschichte des stinkenden Nor’ Loch und die Hexen-Ertränkung zu sprechen kam, über Mylne’s Court und die High Street richtete Gavin den Spiegel auf den Parkplatz vor dem Kastell. Für Menschen, die mit Farbfernsehen und Videokamera aufgewachsen waren, bot das erstaunlich detailreiche Bild wenig Überraschendes. Gavin wiederholte, wie ungewöhnlich klar und hell der Tag draußen sei, die Projektion darum von extremer Schärfe. Keiner von denen, die um den Tisch standen und mit gesenktem Kopf die weiße Bilderschüssel betrachteten, konnte sich zunächst von der Vorstellung lösen, in einem Kino zu sein. Langsam wurde ihnen bewusst, dass hier der flüchtige Augenblick sichtbar war, nichts gespeichert wurde und nichts wiederholbar war. Dass dieser weiße Projektionstisch nur Vergänglichkeit wiedergab. Gavin Fettercairn stellte zum Vergnügen seiner Zuschauer eine kleine Brücke aus gefaltetem Papier auf den Tisch und ließ darauf die vor dem Kastell eintreffenden Touristenbusse hinauf und hinunter fahren. Er hob auf einem in den Lichtstrahl gehaltenen weißen Karton Personen ein paar Zentimeter über die Tischfläche, schüttelte sie und setzte sie behutsam wieder ab, »before the poor guys get dizzy«. Als er derart zwei Gestalten etwa in der Mitte des Parkplatzes aufhob, geschah vor den Augen aller, die hier im Turm der Camera Obscura um den Tisch standen, der Mord. Zwei Männer, der eine offenbar soeben von dem anderen angesprochen, wurden auf der Papierkarte, die Gavin Fettercairn eine Handspanne über dem Tisch ins Licht hielt, herausgehoben. Man sah, wie in diesem

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