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Festung Zehn

Festung Zehn

Titel: Festung Zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Bunch
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Frühling zuwandten, waren sie da draußen, ganz recht. Vielleicht waren sie immer dort gewesen. In Zeiten, in denen wir in unseren Kriegen pausierten, sahen wir immer ihren fliegenden Prunk, sahen wir, wie sie ihre Drohungen abschossen, die verblüffenden göttlichen Kreuze, die geflügelten Heiligenscheine, und wußten, daß sie ihre Truppen zusammenzogen … unter Bannern … oh, das weiche Symbol der Banner …
    An einem Frühlingstag kam ein alter Mann aus dem Land der Drohungen zurück in das Land der Festungen. Langsam gehend kam er näher, plop-plip-plap-plop über das keine Heimat gewährende Plastik, bewegte er seine Scharniere und Bügel, denn er war ein Mann aus Moderan. Auf den Fleischstreifen, die er in seinem Gesicht behalten hatte, war ihm ein langer grauer Bart gewachsen, und bei seinen sich ruckartig im Rhythmus seines stockenden Gangs bewegenden Armen dachte ich an einen Mann, der mit einer Sense mähte; ich dachte an Vater Zeit aus den Alten Tagen. Aber in Moderan gibt es keinen Vater Zeit. Wir sind zeitlos in Moderan, für die Ewigkeit bestimmt!
    Es geschah in einer Waffenstillstandsperiode, daß der Mann mit dem Bart zurückkam. Er ging in den April hinein, und keine Kanonen feuerten. Die laufenden Puppenbomben wiegten sich sanft in den Werferschlingen, die Geschosse ruhten auf ihren Abschußrampen, und die Weiße Hexe Raketen hingen, da niemand in seinem Kriegsraum den großen orangen Schalter auf EIN umlegte, so still da wie der bemalte Tod. Nicht viele erinnerten sich an ihn. Er war einmal Herr einer Festung gewesen, vor langer Zeit, aber eine kleinere Meinungsverschiedenheit mit den Verwaltungsbehörden oder etwas Ähnliches waren der Grund dafür gewesen, daß seine Festung gesprengt und der Ort für Bäume gereinigt worden war, und ihm wurde die grausame Wahl zwischen Verbannung und dem gegeben, was, für ihn, notwendigerweise den Tod bedeutet hätte – die Vergabe seiner Fleischstreifen an einen anderen. Er, da er die Verbannung gewählt hatte, war in der Nacht unter dem Schutz eines kleinen Waffenstillstandes geflohen, und Moderan hatte ihn in der Zeit, die vergangen war, nahezu völlig vergessen.
    Wir beobachteten ihn jetzt, so lange die Tage unseres Frühlingswaffenstillstandes dauerten, sahen, wie er ging. Hinauf und hinab und über unsere Feuerlinien ging er, Tag und Nacht, hielt unsere Warner ständig am Lärmen, und es war eine unheimliche Angelegenheit, sogar für moderanische Verhältnisse. Manchmal informierte in der Mitte der Nacht ein kleines dumpfes Geräusch auf dem Plastik oder das scharfe Klirren eines sich bewegenden Gelenks einen Festungsmann, der noch spät auf war und sich vielleicht um eine bessere Position der Werfer kümmerte oder eine Puppenbombe bewaffnete, daß der Stille in der Nähe war, daß er sich durch den Warner bewegt hatte. Niemand bot ihm Intraven für den Hunger seiner Fleischstreifen an. Niemand schenkte ihm Beachtung. Denn einmal verbannt bedeutete für uns verbannt; er war nirgendwo. Dann wußten wir auch, daß er, wenn der Waffenstillstand aufgehoben und wir wieder fleißig und glücklich mit dem Krieg beschäftigt sein würden, bei dem ersten Start der Werfer vernichtet werden würde, ohne eine Spur zurückzulassen. Weshalb sollten wir uns also Sorgen machen?
    Und doch, an einem erhabenen Tag, als der Gasschirm nicht zu dicht und er neben einer Festung war und spähte – etwas war an ihm! Teilweise war es natürlich die sentimentale Faszination des Sehens, wie die Toten zurückkommen, wie die Verbannten die Verbannung durchbrechen, wobei man wußte, daß eine seltsame tiefe Verwandtschaft zwischen den Toten und Verbannten bestand und doch nicht in der Lage oder bereit war, diese Verwandtschaft auch nur im entferntesten zuzugeben. Nicht in Moderan!
    Dann hörte ich an einem Tag, an einem purpurgasigen Tag, als der Frühlingswaffenstillstand bald aufgehoben werden sollte, mit zitternden Stahlhänden, wobei meine Fleischstreifen bebten und die Haßbedürfnisse nach der Fortsetzung des Krieges gut und reichhaltig in meiner Kehle emporstiegen, wie er in der Nähe klirrte. Mein Warner veranstaltete einen In-der-Nähe-Lärm, als er um Einlaß in meine Mauern nachsuchte. Er sah hager und gescheitert und verrostet aus, als er auf meinem Sichtschirm erschien – eine Kreatur ohne jegliche Bedeutung, verbannt und nirgendwo. Und doch – und doch – wer konnte nein sagen, wenn die Toten mit einer Botschaft, oder vielleicht sogar einem Blick zurückkamen?

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