Festung Zehn
Metallarmen vorsichtig war, daß ich manchmal nur die Luft festhielt. Und daß er mich festhielt, konnte ich durch die ausgeklügelte Dicke und das Gewicht meiner Neumetallhülle nicht spüren. Aber unser Gespräch wurde mit Tränen nicht weniger intensiv als vorher fortgesetzt, unter einem Himmel voll grellem Vergnügen, unter dem festtäglichen Lärm und den wilden Bewegungen von Tänzern, die ich in einem unaufrichtigen Versuch, ausgelassen zu sein, hatte umherwirbeln lassen.
So war der Mann aus der Kanzel also gekommen! Der Seelensammler, der Rufer nach Dem Licht. War es richtig, daß er mir als Botschaft nur Tränen mitgebracht hatte? Ich hatte erwartet, daß er eine lange Predigt mitbringen würde, wenn er käme, und vielleicht einen strengen Verweis für die Wendung, die ich zu Stahl gemacht hatte. Und sicherlich würde es Worte über einen langen Weg zurück geben. Aber wir weinten dort nur für eine Weile zusammen, wie zwei völlig verirrte Schiffskameraden, und absolut nichts wurde gesprochen. Dann bewegte er sich nach einer Weile hinaus, und am äußersten fernen Rand meiner Festung, kurz vor dem letzten, geöffneten Tor, wandte er sich um, und seine Lippen formten sich zu »Bruder!« ; obwohl ich meine Ohren auf SEHR INTENSIV hatte, schwöre ich, daß ich keinen Laut hörte. Aber ich bildete für ihn auch das gleiche Wort, und ganz plötzlich war er gegangen, eine wunderschöne fleischerne Gestalt, die nackt gehend, das keine Heimat bietende Plastik durchstreifte. Oder war es nur ein Spiegelbild, und befand er sich in Wirklichkeit verkehrt herum im Himmel?
Ich schaltete einige weitere Tänzer ein, schickte neue Ballons durch das Dach und stellte den Großen Lärm auf LAUT-LAUT. Dann erinnerte ich mich in meinem persönlichen Bereich der Stille, inmitten des ganzen Lärms und des Tohuwabohus der stählernen Tänzer, daran, daß fast zweihundert Jahre, zweihundert durch Stahl vorwärtsgetriebene Jahre vergangen waren, seit ich meinen Zwillingsbruder zuletzt gesehen hatte, den Prediger, den Mann, der alles auf die Stärke des großen Schutzschildes aus Papier gesetzt hatte. Nun, wie war es ihm in dem Krieg ergangen? Warum ging er jetzt nackt über unseren mit Plastikplatten bedeckten Boden? Und warum brachte er, der Mann des Glaubens, ein Fürst in dem langen Krieg, der in den Wechselwinden auf den mit Zweifel überschwemmten Ebenen der verdorbenen Seelen ausgetragen wird, mir eine Botschaft, die nur aus Tränen bestand? Kummer zu Kummer? Sagte er mir, wie leid ihm mein Zustand tat, war jedes meiner Neumetallteile nur ein Wasserhahn für ihn, der seine Tränen anstellte? Oder versuchte er zu sagen, daß Kummer und Zweifel alles waren, das man entweder auf seinem Weg oder auf meinem zum Schluß fand? Hatte mein Bruder nicht mehr gefunden, hatte er wirklich nicht mehr als einen Schatten im Schatten seines großen Schutzschildes aus Papier gefunden? Hatte er es eines Tages dort draußen bei einem großen Entscheidungskampf der Seelen gegen einen Stein gelehnt, als er eine Ruhepause machte, und hatte sich der gute alte Teufel das Schild geschnappt und war lachend damit fortgelaufen?
Die Botschaft war unklar …
Aber wie das so oft mit mir geschah, warf mich eine Härte aus dem Niederen Tal in die Luft, zogen meine Ängste wieder einmal ihre Schlachtbanner hervor und standen Zweifel mit gen Himmel gerichteten Speeren auf; weiche Knie, die sogar vor nur einem Augenblick nicht einmal in der Lage gewesen zu sein schienen, eine anständige Körperhaltung herbeizuführen, zogen mich nach vorn und waren tapfer. JA! wir beendeten das Fest und töteten mit einem Knopfdruck die ganzen stählernen Tänzer ab. Die Kanonendeckel schlossen ihre Lustbarkeit aus, und sogar die weichen Cellophanadler brachen in der regenbogenerfüllten Luft zusammen, als wir alles in Dunkelheit verwandelten. Da wir lebten, da wir existierten, würden wir handeln und wieder das Spiel spielen. JA! das taten wir. Fast ohne jegliche Warnung erklärten wir allen Festungen in der Umgebung den Krieg, und bald gab es inmitten der grausamen Vernichtung, den harten Anforderungen des Wettkampfes und den wirklichen Problemen des Gemetzels keine Zeit für entweder Zweifel, Geister oder Ängste.
Die Warnung
Sie waren da draußen, ganz recht. Obwohl wir uns in unseren innersten Räumen versteckten, unsere Köpfe unter Betten legten, unsere Gedanken aufschießenden Bäumen und singenden Blechrotkehlchen und dem aus den Löchern hervorkommenden
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