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Festung Zehn

Festung Zehn

Titel: Festung Zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Bunch
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Ich muß für mein scharfsinniges Denken einen völlig leeren Raum haben, was Weihnachtsbäume betrifft, falls es dir nichts ausmacht.«
    Nur einen Augenblick lang dachte er, daß ihre Nase gleich laufen und sie zu weinen beginnen würde. Sie sah ihn mit feuchten Augen an; ihr Gesicht war bereit, sich mit Feuereifer zu einer tränenreichen Klage zu verzerren. Aber sie hielt sich zurück und starrte ihn strenger an, und er sagte: »Natürlich repariere ich den verdammten Stern für dich. Zieh’ mir einen Stuhl her. Und dann muß ich sofort zu meiner Wohnung zurückeilen.« (Gefährlich, dieses zu häufige Zusammensein. Und so altmodisch. Und außerdem war er gerade dabeigewesen, eine wirklich vielversprechende Formel zusammenzubrauen, als sie hereinplatzte.) So stand er auf dem Stuhl, den sie zu ihm zog, und er befestigte den Matto-glas-Stern an seinem Haken an der eisernen Decke und korrigierte die Stellung des Sterns bis man fast unmöglich sehen konnte, daß er nicht an dem grünen Plastikbaum befestigt war. Dann pfiff er der Tür zu.
    Gerade als er durch die Öffnung ging, sie verlassen wollte, fühlte er, wie etwas an einem Bein des feuerroten Anzugs zerrte. Verdammt! Sie war es schon wieder. »Was ist denn jetzt noch?« fragte er.
    »Papi!« piepste sie, »weißt du was, Papi? Ich dachte, wie wäre es, wenn wir zu den Wohnungen von Mutter und Kleiner Bruder ’rübergehen würden, da es Weihnachten ist. Und du deinen roten Anzug anhast. Ist das nicht ein ganz besonderer Tag? Ich habe in den Programmen gehört –« .
    »Nein«, sagte er, »es ist kein ganz besonderer Tag. Aber wenn du willst – und du würdest wahrscheinlich einen Anfall deswegen bekommen, wenn du deinen Willen nicht durchsetzt – na, komm schon.« So gingen sie mühsam über das weiße Grundstück, nachdem sie einen grünen Schneeanzug angezogen hatte, ein seltsames Bild in alten Weihnachtsfarben, und sie hielten zuerst bei der Wohnung von Kleinem Bruder an, der kaum mehr als fünf Jahre alt war.
    Er trug einen Druckanzug und sah über alle Maßen kräftig aus, da er immer Gewichte hob und Vitamine einnahm und das Frühstück-der-Meister aß, und er wollte wissen, was zum Teufel der ganze Unsinn von einem Besuch so früh sollte. Und er ließ sie wissen, daß Tondof, sein Eisenmann, sich sehr gut um alles in seiner Wohnung kümmerte, vielen Dank. Dann stolzierte er umher und ließ sie seine Muskeln bewundern, die schon fast unsinnig kräftig waren, und er zeigte ihnen den neuen Teil seiner Jetröhre, den er aus dem Stern gehämmert hatte, und sie verließen ihn recht bald wieder, da er sich sehr mürrisch zeigte. Auf dem Weg zu Mutters Wohnung äußerte Kleine Schwester, daß Kleiner Bruder ihrer Meinung nach zuviel über Raketen und Düsen und den Weltraum nachdachte. Ob Vater nicht auch dieser Ansicht war? Vater stimmte teilnahmslos zu, daß er vielleicht des Guten zuviel tat, er wüßte es nicht, aber könnte man wirklich jemals zuviel über Raketen und Düsen und den Weltraum nachdenken?
    Als sie über das Grundstück zu Mutters Wohnung weitergingen, wirbelte sie Schnee auf und frohlockte und lachte und erzählte zweideutige Witze – sie hatte sie in den Programmen gehört – fast wie man es von einem normalen kleinen Mädchen erwartete. Vater schlurfte mürrisch durch den gleichförmigen Schnee unter dem eintönigen grauen Himmel und dachte nur daran, wie dieses ganze unsinnige Gehen die Silberteile seiner Gelenke schmerzen ließ, und das noch bevor er seine morgendlichen Mixturen aufgetragen hatte. Ja, Vater bestand zum größten Teil nur in den Körperpartien aus Fleisch, für die man bis jetzt noch keine Wege gefunden hatte, sie sicher zu ersetzen. Er machte grimmig weiter, ging angestrengt, und wünschte, daß er zu Hause in seinem Schmiegedenksessel wäre, in dem er an Allumfassenden Schweren Problemen zu arbeiten pflegte.
    In Mutters Wohnung trafen sie sie dabei an, wie sie sich von dem Plastikmann eine ihrer Plasto-Massagen verabreichen ließ. Er benahm sich mit Mutter wirklich etwas komisch. Vermuten Sie, daß er in Wirklichkeit nicht ganz Maschine war sondern ein Mann, der Teil um Teil ersetzt worden war, bis es unmöglich war zu sagen, wo der Mann aufhörte und das Plastik des Roboters begann? Vater beunruhigte sich deswegen eine halbe Sekunde lang und ließ dann den Gedanken fallen. Und wenn er ein Mann wäre, na und? Was könnte er mit Mutter machen? Und wenn er es tat, was machte es schon aus? Mutter – Neulegierungen an

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