Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02
andernorts mehr als genug zu tun. Draußen plantschten die Leute im Bach herum, trotteten langsam hinter einem mit Lebensmitteln beladenen Packesel hinterdrein oder stolperten zwischen dem Geflügel, den Hunden und selbst den Schweinen umher, die sich an den Abfällen gütlich taten, die auf dem zur Feier des Tages mit Gras und Binsen bedeckten Pflaster verstreut lagen. Jede Bude oder jeder kleine Kramladen, zu erkennen an ihren bemalten Schildern, die teilweise so niedrig hingen, dass man sich den Kopf daran anstieß, war mit dem Kreuzzeichen geschmückt und quoll über von Waren. Bäcker, Gemischtwarenhändler, Kerzengießer, die Talgoder Wachslichter feilboten, Wasserträger, Lumpensammler, Waffenschmiede alle hatten ihre Schätze zu diesem Anlass ausgebreitet... Die Kellner in den Wirtshäusern boten den Passanten Gratiskostproben, um sie an einen noch freien Tisch zu locken. Waffelund Hohlhippenbäcker, die von einer lärmenden Kinderschar umringt waren, riefen an den Straßenecken ihre Erzeugnisse aus und drehten ein Rad, um die Zahl der süßen Stücke auszulosen, die ihr jeweiliger Kunde mitnehmen durfte. Die Ausrufer bahnten sich mit den Ellbogen einen Weg und brüllten sich die Kehle aus dem Hals, um zu verkünden, dass das Wasser in den Badehäusern heiß sei; doch das war vergebene Liebesmüh, denn zahlreiche Bürger hatten bereits gebadet und ihren Sonntagsstaat angelegt. Verglichen mit den unscheinbaren Alltagskleidern bot dieser ein wahres Farbfeuerwerk aus Tüchern und kostbaren Stoffen, Seide, Samit und Brokat. Selbst die gröbste Wolle war noch gefärbt. Die jungen Männer waren mit knielangen Hemden und Hüten mit gezackten Rändern bekleidet, die Hals und Schultern bedeckten. Manche stolzierten wie die Gockel in leuchtend bunten Obergewändern herum, deren Ärmel bis zum Handgelenk reichten und am Ellbogen geschlitzt waren, und trugen kostbare bestickte oder mit Goldschmiedearbeiten verzierte Gürtel, an denen eine Almosentasche oder ein Geldbeutel hing, der bis zum Ende des Tages sicher noch mehrmals den Besitzer wechselte. Die Frauen hatten ihr Haar zu einem oder mehreren Zöpfen geflochten und schützten ihre blasse Haut mit breitkrempigen Strohhüten, und mehr als eine, gleich ob jung oder alt, hatte den oberen Teil der Verschnürung an ihrem Kleid keck gelöst, um einen Einblick in ihr wohlgeformtes Dekollete zu gewähren.
Der Herzog Gorlois hatte die Kerker leeren lassen, damit hier und da gerechte Strafmaßnahmen 'die Menge unterhielten. Ein Wucherer war mit zusammengebundenen Händen in
den Burggraben geworfen worden, an der Stelle, wo die gesamten Abwässer herausflossen, und die am Ufer versammelten Gaffer lachten schallend, während sie zusahen, wie er um sich schlug und in der widerwärtigen Flut der Kanalisation ertrank. Andere waren gefesselt an den Pranger gestellt worden zum diebischen Vergnügen der Kinder, die sie mit Steinen oder verfaultem Obst bewarfen.
Auf dem Kirchenvorplatz hatten die Mönche und Geistlichen eine Theaterbühne errichtet und setzten unermüdlich die Mysterien aus der Heiligen Schrift in Szene. Am einen Ende der Bühne war das Paradies mit Gott und seinen Engeln dargestellt. In der Mitte die Menschen, herrlich tollpatschig, und am anderen Ende der klaffende Schlund der Hölle, aus dem, untermalt von einer Kakophonie aus Trompetenund Trommelklängen, Flammen und Dämonen gespien wurde.
Auch die Burg selbst blieb von dem Trubel nicht verschont.
Dort war es kühler als in der Unterstadt, aber in den Gängen wimmelte es von Bediensteten, die wie aufgescheuchte Hühner kreuz und quer durcheinander liefen und mit Kleidern oder Weinkrügen beladen waren, zurechtgewiesen von den Mundschenken, herumgeschubst von den Sergeants mit ihren in den Farben ihrer Herren verzierten Gewändern. Die Mönche hatten schon vor einer halben Ewigkeit zur None geläutet, und die Stunde des Hochamts nahte. Der Herzog-Seneschall hatte im Namen der Königin Igraine all seine Gäste angewiesen, daran teilzunehmen unbewaffnet und im Festtagsgewand. Sie sollten sich beim ersten Glockenschlag zu einem Zug formieren, die von den Soldaten des Königs geleerte Unterstadt durchqueren und sich zu der an die Stadtmauer hingebauten Kirche begeben. Angesichts der fieberhaften Hektik der letzten Vorkehrungen lagen die Nerven der hartgesottensten Barone blank, und widersprüchliche Gerüchte über die Rangordnung während der Prozession begannen die Gemüter zu erregen.
Der Herzog Léo de
Weitere Kostenlose Bücher