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Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02

Titel: Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Nacht der Elfen
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Gorlois ruhte, begann zu zittern, und ihre Augen glänzten. Sie blickte starr geradeaus, mit zusammengeschnürter Kehle und einem Engegefühl in der Brust, als zwängte sie jemand in einem Schraubstock ein, und sie fühlte, wie ihr unter dem Wimpel die Röte in die Wangen schoss. Sie dachte nur an die Schande, dass diese Hand dem Seneschall versprochen war, während die Leute allein ihre Schönheit und ihren glanzvollen Feststaat sahen. Zu Lebzeiten von Pellehun war die Königin nur ein Schatten gewesen, hatte an seiner Seite so jung gewirkt wie seine Tochter, blass und unbedeutend. Und nun erschien sie zum ersten Mal in majestätischer Erhabenheit. Das Raunen zeugte von reiner Bewunderung. Vielleicht durchsetzt mit einem Hauch Neid oder Eifersucht angesichts ihrer prunkvollen Aufmachung. Und wer außer Léo de Grand schenkte in jenem Moment schon Gorlois Beachtung? Neben ihr ging er völlig unter in seinem schwarzen Bliaud, mit dem weit aufstehenden Kragen, das bis zur Mitte der Waden reichte und dessen einzige Zierde ein lose auf der Hüfte sitzender goldener Gürtel war. Und dann sah der alte Seneschall derartig dem verstorbenen König ähnlich ... An dem Paar, das sie bildeten, war das einzig Neue die strahlende Schönheit der Königin.
    Zu deren großer Erleichterung klopfte der Herold mit seinem eisenbeschlagenen Stab auf den Boden und unterbrach das gedämpfte Gemurmel der Zuschauer.
    »Formiert euch zur Prozession!«
    Er machte sich daran, die Namen der Ranghöchsten zu verkünden, zuerst die der Herzoge Carmelide, Orcanie, Cambenet, Sorgalles, Lyonesse, Dommonée -, dann die der Grafen und Barone, wobei er geziert jede Silbe einzeln betonte und sich zwischendrin an den ängstlichen Blicken derer weidete, die noch nicht genannt worden waren, oder dann und wann innehielt und einen vor Selbstgefälligkeit strotzenden adligen Herrn und seine in fließende Seidenstoffe gehüllte Gemahlin, die neben ihm hertrippelte, passieren ließ.
    Gorlois und die Königin rückten bei jedem Aufruf ein Stück weiter voran, wie bei einem sauber choreographierten Ballett, so dass sich hinter ihnen eine lange Reihe aus Paaren bildete, welche dank der enormen Bedeutung, die plötzlich dem Rang jedes Einzelnen zukam, perfekt aufgestellt waren.
    Léo de Grand war eine ganze Weile lang sprachlos gewesen beim Anblick dieses Spektakels, und er hatte dabei das empörende Gefühl, dass er der Einzige war, der sich daran stieß, dass Igraines Hand auf der von Gorlois ruhte. Und auch der Einzige, der es nicht normal fand, dass der Seneschall die Königin nicht vorangehen ließ, sondern sich im Gegenteil an ihrer Seite hielt, stocksteif und zu seiner vollen, nicht gerade beeindruckenden Größe aufgerichtet, den Blick ins Leere gerichtet, ohne irgendjemand anzusehen (nicht einmal ihn) wie ein König, dem lediglich noch die Krone fehlte. Léo de Grand hatte Rückhalt bei seinen Pairs gesucht, doch die hatten sich alle artig eingereiht, ohne ein sichtbares Zeichen der Reaktion. Also war er ebenfalls wieder an seinen Platz zurückgetreten, alleine, da die Herzogin ihn auf dieser langen Reise nach Loth nicht begleitet hatte.
    Der Zug setzte sich in Bewegung, während nach wie vor sämtliche Kirchenglocken läuteten. Und kaum hatte man einen Schritt vor die Tür getan, umfingen die Sonnenhitze sowie die von den Steinplatten auf dem Vorplatz aufsteigende Wärme die Menschen wie ein Pelzumhang. Ein endloser Kordon aus Soldaten, denen unter ihren ledernen Gambesons der Schweiß herunterrann, sorgte dafür, dass die vorgegebene Route frei blieb, indem er die Unmengen von Bürgern, die sich am Wegrand drängten, in Schach hielt. Es war dermaßen heiß, dass mehr als eine schöne Dame, die zu eng in ihrem Surcot eingeschnürt war, in Ohnmacht zu fallen drohte, aber Gorlois ging gemessenen Schritts voran und genoss die Zurufe, die ihm gar nicht alle galten, wobei er seine Genugtuung allerdings hinter einer gleichgültigen Miene verbarg. So zogen sie durch die ganze Stadt, bis unmittelbar an die Festungsmauern, wo die Geistlichen ihre Kirche errichtet hatten. Dicht hinter den Schultern der Soldaten scharten sich die einfachen Leute vom Land und aus der Unterstadt mit ihren violett angelaufenen Säufergesichtern, die lauthals ihre Vivats grölten, berauscht von dem Massenauflauf, die Augen weit aufgesperrt, damit ihnen nichts entging. Mit dem Finger zeigten sie auf die vornehmen Damen oder grüßten ihren Lehnsherrn laut rufend, sobald sie ihn unter den

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