Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02
Gottes geschaffen!«
Bedwin hatte die Stimme erhoben. Er legte eine Pause ein, um eine schmeichlerische Miene aufzusetzen, und wies mit wehendem Ärmel auf das im Chor kniende Paar.
»Der Herzog Gorlois hat euch zum Sieg gegen das Volk der Ungläubigen geführt, heidnische Anbeter eines goldenen Schwertes, das ihre unausweichliche Niederlage durch nichts zu verhindern vermochte. Diesen Mann hat die Königin Igraine heute vor Gott zum Gemahl auserkoren. Lasst uns beten, auf dass sie gemeinsam das Werk des hochheiligen Königs Pellehun fortführen und die Macht unseres Herrn sich auf Erden entfalte! Meine Brüder, es heißt >... erfüllet die Erde und macht sie euch untertan!< Gehorcht, denn das ist das Wort Gottes!«
Igraine hörte nicht länger zu. Die erbauliche Bibelauslegung bestätigte letztendlich nur den Sinn dieses ganzen Tages: ein Interessenbündnis zwischen dem Seneschall und dem Bischof, gegenseitige Unterstützung, die darauf ausgerichtet war, ihre jeweilige Macht zu stärken. Die Menschen unter einem einzigen Gott und einem einzigen König zu vereinigen war eine hehre Sache, edel und heilig, wenn sie nur aufrichtigen Absichten entsprang ...
Die junge Königin zuckte zusammen, als sie den Blick Bedwins auf sich lasten spürte. Gorlois sah sie ebenfalls an, so nah unter ihrem Schleier, mit seinem harten Gesicht, durch das diese schreckliche Narbe lief. Er lächelte sie an, aber sie wurde daraufhin lediglich unsicher und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Predigt des Bischofs zu.
»... >Seid fruchtbar und mehret euch« , sagte Bedwin (und er richtete sich direkt an sie]. »Auf daß eure Kinderschar die Erde bevölkert, denn das ist die heilige Mission der Frau. >Überaus zahlreich werde ich die Beschwerden deiner Schwangerschaft machen , heißt es in der Heiligen Schrift. > Linter Schmerzen soüst du Kinder gebären. Nach deinem Mann wird dein Verlangen sein, er aber wird über dich herrschen. <
Er hielt einen kurzen Moment inne, als erwarte er eine Antwort. Aber welche mögliche Antwort hätte es darauf gegeben?
XI
Das Turnier
Ein neuer Tag brach an, ein grauer, unfreundlicher Tag mit bedecktem Himmel, an dem dicke schwarze Wolken hingen, die jeden Moment zu platzen drohten. Wahr-
scheinlich würde es noch vor Ende des Vormittags ein Gewitter geben. Heftige Böen fuhren ab und an unter die Behänge aus Samt und Seide, mit denen die Tribünen rund um den Turnierplatz geschmückt waren, so dass sie flatternd hochschlugen; die Fahnen und Banner knatterten im Wind, und die Pferde scharrten aufgeregt mit den Hufen, nervös von den plötzlichen Staubwolken, welche Stroh und Schwärme winziger Mücken mit sich führten. Es war beinahe kalt an jenem Morgen, und das war gut so. Mehr als ein Baron und mehr als eine holde Dame erwachten nach dem Zechgelage bei dem königlichen Bankett mit einem pelzigen Gefühl auf der Zunge und mit bleischwerem Schädel. Das Festmahl hatte sich über den ganzen vorangegangenen Tag hingezogen, von dem Moment, da die Messe beendet war und sie alle hinausströmten, bis tief in die Nacht, zu weit vorgerückter Stunde (wobei einige Gäste schon früher vornüber mit dem Gesicht auf den Tisch gesunken waren und unter dem Hohnlächeln ihrer Nachbarn damit begonnen hatten, ihren Rausch auszuschlafen). Ein weiterer brütend heißer Tag wäre ihnen vermutlich zum Verhängnis geworden.
Léo de Grand war nicht lange geblieben. Er hatte sich so rasch wie möglich zurückgezogen, bereits geraume Zeit bevor es Abend wurde. Das Zimmer, das man für ihn bereitet hatte, verschmähte er und verbrachte die Nacht in seinem kegelförmigen, in seinen Farben geschmückten Zelt, das in der Nähe des Turnierplatzes aufgebaut und ideal gelegen war: im Schutz eines Wäldchens und nicht weit von einem Bach, an dem seine Pferde trinken konnten. Er war einer der Ersten, die erwachten wobei ihm trotz allem schlecht war und er miserable Laune hatte -, während seine Knechte und Soldaten noch, in ihre Mäntel gerollt, direkt auf der Erde lagen und schliefen. Mit nacktem Oberkörper, lediglich mit seinen Beinkleidern angetan, die er über Nacht anbehalten hatte, fröstelte er in der feuchten Luft dieses trüben Tages und besah sich mit finsterem Blick das riesige Lager, das am Fuße der Stadtmauer von Loth errichtet war.
Die Ebene war übersät mit Zelten in allen Größen und Formen, angefangen bei den turmartigen Stoffgebilden der reichen und vornehmen Herren mit ihren goldenen
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