Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02
Gäste setzten sich schlagartig in Bewegung. Keine Spur mehr von der übertrieben feierlichen Langsamkeit ihrer Parade durch die Stadt: Der Zug wurde von den weit aufgerissenen Türen des Portalvorbaus geschluckt, und es war ein einziges Hasten und Gedränge. Kaum im Kirchenschiff angelangt, setzten sich alle, so schnell sie konnten, völlig wild durcheinander, ohne noch auf die so sorgfältig vom Herold des Königs festgesetzte Rangfolge zu achten, und mehr als eine hoch gestellte Persönlichkeit wurde auf diese Weise in die Seitenschiffe abgedrängt, und einige sogar nach draußen.
So zum Beispiel Leo de Grand.
Der Herzog von Carmelide war wie angewurzelt stehen geblieben, und es fehlte nicht viel, und er wäre aus Entrüstung und Wut angesichts dieser Eheschließung, die gegen alle Gepflogenheiten verstieß und doch den Seneschall Gorlois zum Herrscher über das Reich machte, in Ohnmacht gefallen. All seine eigenen Träume waren vernichtet; aber dass seine Hoffnungen enttäuscht waren, darüber hätte er sich ja noch nicht einmal beklagt. Ihm blieb vor Empörung schier die Luft weg, weil Igraine sich wieder hatte verheiraten können, ohne ihn, ihren ältesten Bruder und seit dem Tod ihrer Eltern das Oberhaupt der Familie, überhaupt gefragt zu haben. Wutschäumend blieb er in der Mittagssonne stehen, während der Vorplatz sich leerte. Die Soldaten, die den Schutzgürtel entlang des ganzen Weges gebildet hatten, zogen sich rund um den heiligen Ort geordnet zurück und überließen die Stadt wieder den ernüchterten Bürgern, wobei jeder die Ereignisse abhängig von dem, was er gesehen oder was man ihm erzählt hatte, kommentierte. Und umgeben von dem ganzen Stimmengewirr, fand sich Carmelide allein inmitten eines großen Rings aus Soldaten in weißgrundigen und mit einem roten Kreuz versehenen Waffenröcken wieder, die dem Volk verwehrten, in die unmittelbare Nähe der Kirche vorzudringen. Einen Moment lang fühlte er sich bedroht und bewegte sogar sein Schwert vage in Richtung der Garde. Aber die königlichen Truppen schenkten ihm keine Beachtung.
Von ihrem kostbaren Tuch bedeckt, knieten Gorlois und die Königin allein auf Betschemeln, die im Chor gegenüber des Altars standen. Und dicht hinter ihnen nahmen die Recken ihrer Garde in ihren Plattenharnischen, das Schwert an der Seite, die erste Reihe ein und bildeten einen Wall zwischen den frisch Vermählten und dem versammelten Adel doch es war fraglich, ob dieser neuerliche Treubruch überhaupt noch irgendjemand zu schockieren vermochte.
Für die Mehrheit von ihnen war es das erste Mal, dass sie einer Messe beiwohnten, und sie bemerkten zunächst gar nicht, wie hastig Bedwin vorging. Nur wenige verstanden Latein, und selbst wenn der Bischof begnügte sich damit, leise zu nuscheln, den Blick auf den Altar gesenkt, während um ihn herum ganze Heerscharen von Geistlichen und Messdienern ihres Amtes walteten: die Ministranten, die das geweihte Öl und die heiligen Gefäße darreichten, Akolythen, die feierlich Weihrauchfässer schwenkten, aus denen betörende bläuliche Rauchschwaden entwichen, knieende Ceroferare, die große verzierte Kerzen trugen, deren Flammen im Halbdunkel der Apsis einen Lichterkranz formten ... Es war eine Votivmesse von der Heiligen Dreifaltigkeit ohne irgendein Hochzeitszeremoniell, da dies ja bereits unter dem Hauptportal vollzogen worden war. Eine Messe, der es an jeglicher Inbrunst mangelte, fast verschämt und derart sinnentleert, dass selbst die Unfrömmsten es schließlich merkten und im Publikum nach und nach wieder die Unterhaltung in Gang kam, untermalt von ersticktem Lachen und dem Knurren hungriger Mägen.
Gorlois verfolgte mit pochenden Schläfen, wie der Bischof mechanisch den Gottesdienst abwickelte, ohne dass er jedoch wirklich etwas aufgenommen hätte; er dachte an Pellehuns Krone. Sein alter Freund ... Er selbst konnte nur auf den Thron gelangen, indem er von seinen Pairs gewählt wurde, Herzogen und Grafen des Reiches von Logres, aber das käme später alles zu seiner Zeit. Zur Stunde müsste er ihnen schmeicheln, ihre Verdienste vergelten oder sich ihren Respekt erkaufen. Titel und Benefizien vergeben. Vielleicht sogar die Steuern abschaffen, um die Sympathien des Volkes zu gewinnen ... Das Gold der Zwerge würde lange reichen, um seine Ausgaben zu decken. Und wenn wieder Frieden im Reich eingekehrt wäre, wenn jeder Baron und jeder Junker die mit seiner Großzügigkeit verbundenen Annehmlichkeiten schätzen gelernt
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