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Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02

Titel: Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Nacht der Elfen
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kommen. Diejenigen, die sie noch nicht kannten, musterten sie verstohlen und lauschten den entsetzlichen Geschichten, die über sie kursierten. Sie war scheinbar nur eine verrückte Alte, die sich letztlich kaum von jenen übertrieben wohlgenährten und auffallend reichen Händlern unterschied, die von einem Ende des Banketts zum anderen stolzierten. Doch sie machte keinen Hehl aus ihrer Zugehörigkeit zur Gilde, und die Tatsache, dass sie anwesend war, geladen zum Festmahl, und nicht etwa am Galgen hing, hatte zumindest etwas Überraschendes.
    Während in die Farben des Königspaars gehüllte Diener anstelle der üblichen Holzteller Brote darreichten, deren weiches Inneres mit Safran, Rosenblüten oder Petersilie gelb, rot oder grün gefärbt war, hatte der Bischof Bedwin versucht, einen Tischsegen zu sprechen, doch sein Gebet ging rasch unter in dem allgemeinen Stimmengewirr, sei es, weil die Tischgesellschaft nicht die leiseste Ahnung davon hatte, was er da gerade tat, sei es, weil man es vorzog, die Ereignisse des Vormittags zu kommentieren. Oder vielleicht auch einfach deswegen, weil die Gäste zu durstig waren und zahlreiche, mit wunderbar kühlem Klarett gefüllte Krüge auf jeden Tisch gestellt wurden. Und dann übertönten schließlich die plötzlich losbrechenden Trompetenstöße und Lautenklänge der Spielleute alles andere, Grollworte und Geläster, Lachen und Tratsch.
    Léo de Grand war wie jedermann der Grenachewein zu Kopf gestiegen, und als er da so saß zwischen den Gauklern und Tänzern, die die Pavane, einen langsamen höfischen Schreittanz, sowie den darauf folgenden Springtanz, die Gaillarde, aufführten, zwischen den Bärenführern und Hundedresseuren und den schamlosen Dienerinnen, die die Verschnürung ihrer Korsagen gelöst hatten, war er wider Willen von dem reichhaltigen Angebot an Speisen überwältigt gewesen: gespickte Hirschlende mit Pfeffer, Hühnchen in Honig und Senf, Blanc Manger, eine süße weiße Creme mit Mandeln, Zwiebeleintopf, frittierte Teigtaschen mit Füllung, Pfauenpastete, dicke Bohnen, Schmalzgebäck und feine Kuchen, und zu all dem wurden Bier, Met und mit Zimt aromatisierter Hypocras, ein beliebter Gewürzwein, gereicht. Und als er das Benehmen der Gäste so betrachtete, kam ihm ein alter Text in den Sinn, der die Stimmung bei einem Bankett recht gut beschrieb: »Völlerei gereicht einer Weibsperson zur Schande, denn sie bekommt dadurch etwas Liederliches, Gieriges und Räuberisches ... Sie redet viel und irres Zeug, äußert gewagte Worte, Prahlereien, hohle Phrasen, singt Lobeshymnen, schwört Meineide, spricht Lästerliches, Rebellisches und Blasphemisches ...« Wie so viele andere war er nach einigen Gängen aufgestanden und hatte sich übergeben, aber im Unterschied zu den Übrigen war er nicht mehr an den Tisch zurückgekommen.
    Nun, an diesem Morgen empfand er nur noch Abscheu gegen das Ganze.
    Er schloss die Augen und sah wieder die Bücklinge und die unterwürfigen Vertraulichkeiten der niederen Adeligen vor sich, die den neuen Herrscher noch beim Essen auf Schritt und Tritt verfolgt hatten, um ihm zu schmeicheln, und er sah wieder den Ausdruck einfältiger Zufriedenheit, den Gorlois zur Schau getragen hatte, während er seine Almosen an diese Leute verteilte. In dem Maße, wie sich das Gerücht von Gorlois’ großzügigen Gaben unter den Gästen verbreitet hatte, war das affektierte Gehabe im Laufe des Festmahls immer extremer geworden. Und, ohne dass ein Wort gefallen wäre oder etwas anderes als verächtliche oder beschämte Blicke gewechselt worden wären, hatten sich schon bald zwei Lager unter den Festbesuchern gebildet: Auf der einen Seite standen diejenigen, die den Rücken krumm gemacht hatten, auf der anderen die, welche Rückgrat bewiesen hatten. Vielleicht hatten ja einige von Letzteren sein Verschwinden bemerkt...
    Um sein Zelt herum hatte Carmelides Truppe wieder ein menschliches Aussehen angenommen, gestärkt durch eine mit Gewürzen angereicherte Weizenmehlsuppe, die in einem Kessel über dem Feuer hing und einen angenehmen Duft nach Honig verströmte. Er bemerkte ebenfalls (und wie hätte ihm das auch entgehen können?) eine Gruppe Kavalleristen, die den weißen Waffenrock mit dem roten Kreuz trugen und ihn zu erwarten schienen. Einer von ihnen, ein großer schlaksiger Bursche mit einer geschwänzten Gugel, einer kapuzenartigen Kopfbedeckung, deren langer Zipfel, die Sendelbinde, ihm bis auf die Schulter fiel, saß vom Pferd ab, als der

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