Fettnaepfchenfuehrer Frankreich
hielt Eva drei kleine, schmale Metrotickets in der Hand.
Manni und Anton suchten die richtige Linie auf dem riesigen Metroplan und freuten sich wie zwei kleine Jungs, als sie sie endlich entdeckt hatten. Dass Manni dabei aber auch gesehen hatte, wie viele Stationen sie insgesamt noch vor sich hatten, behielt er vorerst besser für sich. »Na, dann mal los!«, tönte er in die Runde und steckte sein Metroticket siegessicher in den kleinen Schlitz des Automaten. Und zwar genau so, wie er sich das bei seinem Vorgänger abgeguckt hatte. Mit einem lauten, hohen Piepton kam das kleine Pappscheinchen ein paar Sekunden später wieder zu ihm zurück. Ohne dass die beiden schmalen Metalltüren sich auch nur einen Millimeter bewegt hätten. »Andersrum!«, rief Eva von hinten, »den Strich nach unten!« Woher wusste sie das denn jetzt schon wieder, fragte sich Manni und wollte es auf ein Neues versuchen. Die Schlange hinter ihnen wurde immer länger. »Lass mich doch mal, Manni«, bettelte Eva. »Bitte sehr, Gnädigste, nach Ihnen!« Kaum hatte Eva ihr billet in den Schlitz gesteckt, waren die Türen auch schon für ein paar Sekunden geöffnet, und sie schlüpfte triumphierend hindurch. Anton machte es ihr nach und Manni schließlich auch. Uff, das wäre geschafft. »Hier lang!«, winkte Manni die beiden herbei und erklärte kurz, welche Linie sie bis wohin zu nehmen hätten. Vor ihnen, hinter ihnen und neben ihnen wurde gedrängelt und geschubst und sie mussten sich schnell in einen der vielen Ströme einfügen. Manni sorgte dafür, dass sie zusammenblieben. Die Metro kam, Menschenmassen stiegen aus und hektisch wieder ein. »Beeilt Euch!«, rief Manni und ergatterte gerade noch zwei Klappsitze am Eingang des Abteils. »Hier, wir fahren eine Weile.« Eva und Anton ließen sich trotz der eng aneinandergedrängt stehenden Mitfahrer erschöpft fallen. Manni blieb wachsam an der Tür stehen.
Das war sie also, die Pariser Metro. Eva schaute sich glücklich und neugierig um. Aber sie stieß nur auf abwesende oder abfällige Blicke, die sie sich beim besten Willen nicht erklären konnte. Sie waren weder laut noch machten sie sich sonderlich breit. Da hatte sie wirklich andere Touristen gesehen. Eva versuchte nicht darauf zu achten, schaute aus dem kleinen Metrofenster und ließ ihre Gedanken schweifen. Hoffentlich würde das ein schöner Abend für sie alle werden. Anton neben ihr schlummerte fast weg und Manni schien das Einmaleins der Benimmregeln durchzugehen, so angestrengt und konzentriert inspizierte er seine Umgebung. Plötzlich hielt er inne und rief laut und aufgeregt: »Wir müssen raus, Eva, Anton, dalli, dalli!« In null Komma nichts quetschten sich die drei aus dem Waggon und Leithammel Manni übernahm wieder die Führung.
Schmale, ellenlange Metrogänge taten sich vor ihnen auf, alle gleich niedrig und gleich voll. »Und jetzt? Es ist schon halb acht, Manni.« Eva machte sich Sorgen. »Eben hatte ich’s noch, aber jetzt ist dieses blöde Schild einfach weg!« Manni war genervt. »Ich hab’s, Porte de Dingsdabums, das war’s doch, Papa, oder?« Anton freute sich, dass er auch mal etwas beisteuern konnte in diesem allgemeinen Familienchaos. Wieder galt es, lange Treppen herauf- und herunterzuhetzen, endlose Gänge und unzählige Rolltreppen hinter sich zu bringen. Als sie endlich auf dem richtigen quai (Bahnsteig) landeten, fuhr die Metro direkt vor ihrer Nase weg. »Na, großartig, merci beaucoup! «, schimpfte Manni und bemerkte nicht, dass Eva und Anton längst am anderen Ende des Bahnsteigs auf kleinen orangefarbenen Plastikhockern in Warteposition gegangen waren. »Dann sind wir eben zu spät, besser als zu früh!« Anton hatte keine Lust mehr auf diese nervige Hetzerei. Und das alles nur, weil seine blöde große Schwester unbedingt nach Paris musste.
Was ist diesmal schiefgelaufen?
U-Bahnfahren verlangt in Paris ein hohes Maß an Konzentration, Stressresistenz und Höflichkeit. Das fängt schon beim Ticketkauf an. Die Damen und Herren hinter den Schaltern versprühen häufig einen gewissen Unmut und sind von einer latenten Gereiztheit. Ohne dass sich das auch nur im Ansatz gegen den einzelnen Kunden richten würde. Es ist einfach ein stressiger, trostloser und vermutlich auch nicht besonders gut bezahlter Job. Wenn man dann als Tourist auch noch die Dreistigkeit besitzt, nicht zuerst mit Bonjour zu grüßen, sondern einfach nur schnell seine Tickets bezahlen will, kann sich die Stimmung auch noch mehr
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