Fettnaepfchenfuehrer Frankreich
»Das ist doch kein Problem«, sagte Eva ruhig. »Das habe ich die letzten Tage ohne dich auch schon gemacht, und keiner hat was gesagt.« Paula schaute sich skeptisch um. Sie hatte auch Lust, ihr Oberteil auszuziehen. Zumindest im Liegen, damit sie nahtlos braun würde. Wenn sie nachher ans Wasser ging, könnte sie es ja wieder anziehen. Paula zog sich also auch das Oberteil aus und legte sich neben ihre Mutter. Da kam Anton aus dem Wasser zurück und schüttelte kräftig seine Haare. »Igitt!«, schrien die beiden Frauen, als sie nass wurden. Anton nahm sich sein Handtuch und legte sich abseits von den beiden in die Sonne. »Warum kommst du nicht zu uns?«, wollte seine Mutter wissen. »Weil es mir peinlich ist«, sagte Anton. »Ich lege mich doch nicht mit meiner halbnackten Mutter an den Strand.« Eva verteidigte sich lachend: »Ich glaube, die Franzosen sind gar nicht so verklemmt wie du, Anton.« Paula schaute sich kurz um und spürte einige Blicke unangenehm auf ihr lasten. Sie griff zu ihrem T-Shirt und zog es sich schnell über. Am liebsten wäre sie im Boden versunken.
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Paula hätte es eigentlich wissen können, zumindest hat sie geahnt, dass es nicht unbedingt angesagt ist, sich in Frankreich am Strand (halb)nackt auszuziehen. Die Aussicht auf nahtlose Bräune hatte sie allerdings alle Regeln vergessen lassen. Die Franzosen haben nämlich ein vollkommen anderes Verständnis dem eigenen Körper gegenüber, als wir es haben. Nicht umsonst behaupten die Amerikaner und Engländer von den Deutschen, sie seien in ihrem tiefsten Herzen alle Exhibitionisten. Tatsächlich lieben die Deutschen es, sich nackt auszuziehen, sei es in der Sauna, unter der Sammeldusche im Hallenbad oder beim Baden am See. Nicht nur in Ostdeutschland hatte FKK lange Hochkonjunktur, und wenn man seine Badesachen anbehielt, wurde man fast ausgelacht. Man galt als verklemmt. Doch auch in Frankreich gibt es seit etwa 1900 durch die Bewegung der Naturisten eine Tradition des » Schwedisch-Badens « . Michel Houellebecq beschreibt in seinem Roman » Elementarteilchen « , was sich an so einem abgeschirmten Strandabschnitt für FKK-Bader in Cap d‘Agde an der Côte d‘Azur alles abspielen kann. Allerdings handelt es sich hier um ausgewiesene FKK-Bereiche, in denen die Teilnehmer sich oft einiges von ihrem Nacktsein versprechen. Einfach nur oben ohne, ohne damit etwas zu beabsichtigen, ist in Frankreich nicht drin. In der Sauna behält man stets seine Badesachen an oder wickelt sich zumindest ein Handtuch um den Körper. Überhaupt gehen Franzosen so gut wie nie in die Sauna. Es gibt fast nirgendwo eine Sauna, die nicht zu einem Swingerclub gehört – außer in manchen Skiorten. Beim Umziehen am Strand ist es herrlich, Franzosen dabei zu beobachten, wie sie sich umständlich mit einer Hand (oder mit den Zähnen) ein Handtuch vorhalten, während sie versuchen, mit der anderen Hand eine nasse Badehose aus- und etwas anderes anzuziehen. Die intimsten Körperteile soll die Öffentlichkeit nicht sehen. Oft zieht allerdings diese Akrobatik mehr Aufmerksamkeit auf sich, als wenn man sich einfach schnell à l’allemande (nach deutscher Art) umzieht und dabei kurz entblößt. Sich demonstrativ oben ohne hinzulegen, zieht natürlich alle Blicke auf sich.
Was können Sie besser machen?
Respektieren Sie die kulturellen Unterschiede hinsichtlich der Präsentation des eigenen Körpers in der Öffentlichkeit. Oben ohne am Strand zu liegen, ist in Frankreich schon zu viel des Guten. Behalten Sie Ihr Bikinioberteil und erst recht Ihre Badehose an, denn selbst wenn keiner etwas sagt, so werden Sie die Ablehnung doch früher oder später zu spüren bekommen.
23. Keltisches inLocronan
Wie die Fischers ihre bretonische Leidenschaft entdecken
Die Landstraße war voll, voller als Manni erwartet hatte. »Warum müssen die denn alle ausgerechnet jetzt nach Locronan fahren?« »Wer sagt denn, dass sie da hinfahren, wo wir hinfahren, Schatz?« Eva sah ihren Mann etwas streng von der Seite an. »Na hör mal, Locronan ist das schönste Dorf derBretagne. Oder etwa nicht, Paula-Maus?« »Nenn mich bitte nicht so, Papa.« »Früher hattest du das gern.« »Ja – früher!«
Die Fischers waren in Ferienstimmung, aus dem Radio dudelten leise Chansons und auf dem Tagesprogramm stand eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Bretagne. Der kleine ehemalige Marktort lag zwischen der Halbinsel Cap Sizun und den Ausläufern der Montagnes
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