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Fettnaepfchenfuehrer Frankreich

Fettnaepfchenfuehrer Frankreich

Titel: Fettnaepfchenfuehrer Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Bouju , Johanna Links
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Sie in Frankreich eine neue Ausdrucksweise kennenlernen, dann können Sie in Zweifelsfällen ruhig fragen, ob diese auch salonfähig ist. Die meisten Franzosen sind es gewohnt, avec maman et papa (mit Mama und Papa) oder natürlich auch mit Oma, Opa und Vorgesetzten deutlich andere Töne anzuschlagen als unter Gleichaltrigen auf Partys.
    Ihr Duz- und Siezsystem durchschauen auch die Franzosen nicht so richtig. Sie können also nichts verkehrt machen, wenn Sie einfach jeden, der (etwa) über 20 scheint, erst einmal siezen. Hingegen ist es nicht üblich, 18- bis 20-Jährige einfach zu siezen. In Frankreich nimmt man an, dass diese »jungen Leute« dem Alter einen gewissen Respekt entgegenbringen müssen, was umgekehrt nur bedingt der Fall ist. Und wenn Ihnen jemand anbietet, sie oder ihn mit Vornamen anzureden, heißt das noch lange nicht, dass dadurch das vous (Sie) gegen ein tu (du) eingetauscht wird. Nehmen Sie es nicht als persönlichen Affront, wenn man Ihnen auch nach vielen Treffen noch kein Du anbietet. Franzosen finden es oft angenehmer, sich gegenseitig zu siezen. Während in Deutschland das Du auch als Sympathiebeweis schnell angeboten wird, bleiben Franzosen häufig lange beim Sie, ohne dass das heißt, dass man Sie nicht mag oder man Sie nicht als Freund oder Freundin ansieht. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

    Bourgeoisie –Boheme –Bobo
    Es ist eher ein gefühltes als ein offizielles Klassensystem, das in Frankreich herrscht. Denn oberflächlich gesehen sind alle gleich – nach dem Prinzip der égalité (Gleichheit) –, nur eben unter dieser Oberfläche sind die alten Unterschiede bestehen geblieben. Das Wort bourgeoisie bedeutete nach der Revolution (1789–1799) in erster Linie, Bürger einer Stadt mit gewissen Rechten und Pflichten zu sein. Diese bourgeoisie hatte an sich selbst den Anspruch, zivilisiert und talentiert zu sein, einige kamen als geschickte Händler zu Geld und Ansehen. Im Laufe der Zeit hat sich die Bedeutung des Begriffs verändert: Heute bezeichnet bourgeoisie die obere Mittelschicht oder jene Schicht, die durch ihr Verhalten soziale Normen definiert. Bourgeois ist inzwischen weniger ein Status als vielmehr eine Lebensart.
    Die bohème dagegen nimmt sich die Freiheit, sich gegen die Normen und Gepflogenheiten der Klassen und oft auch des eigenen Elternhauses aufzulehnen und sich über gesellschaftliche Regeln und Normen hinwegzusetzen. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem 15. Jahrhundert: Bohèmien bezeichnete die aus Böhmen stammenden Zigeuner und bedeutete so viel wie »unsittlich«, nicht mehr der Gesellschaft zugehörig. Aus dieser Antihaltung hat sich ein Lebensstil entwickelt, der besonders in Künstlerkreisen gepflegt wurde: Trinkgelage, Lesungen und Diskussionen, lange Caféaufenthalte usw. Jede bohème hatte ihren eigenen Kreis und ging einem Sinn des Lebens jenseits der gesellschaftlichen Normen und Moralvorstellungen nach.
    In puncto Lebensstil ließen sich heutzutage ganze Generationen als bohèmiens bezeichnen; von einer entsprechenden politischen oder gesellschaftlichen Haltung ist jedoch nicht mehr allzu viel übrig geblieben. Bobo setzt sich aus den Wörtern bourgeois und bohème zusammen, denn was einst ein Gegensatz war, passt heute wunderbar zusammen. Bobos sind die »Kapitalisten der Gegenkultur«, also diejenigen, die in ihrer wohlbehüteten bürgerlichen Welt mit all deren materiellen Errungenschaften leben, die einen ausschweifenden Lebensstil à la Boheme pflegen, deren Antihaltung übers Partymachen oder ein Logo auf dem T-Shirt jedoch nicht hinausgeht, und die sich zugleich nicht der bürgerlich-konservativen Klasse zugehörig fühlen. Gut nachzulesen in dem Buch »Bobos in Paradise« (2000) des New-York-Times-Kolumnisten David Brooks.

30. Sei kein Frosch – bitte!
    Paula im Land derDelikatessen
    Heute Abend waren die Bouchards bei Claudines Bruder Claude und dessen Familie zum Abendessen eingeladen. Natürlich mit Paula. Als sie die Wohnung im Pariser Stadtteil Marais in der Nähe vom Place des Vosges, den Paula so liebte, betraten, herrschte große Aufregung: DieKinder rannten brüllend durch den Flur, die Großmutter schimpfte hinterher und Claude und seine Frau entschuldigten sich ein wenig geniert für den Lärm. Paula fand das alles sehr sympathisch, endlich einmal etwas Ungezwungenes in diesen steifen Kreisen! Doch der Schein trog. Kaum saßen alle am Tisch, wurden die Kinder zurechtgewiesen und mit Regeln und Prinzipien

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