Fettnaepfchenfuehrer Frankreich
Bauerntrampel angeschaut. Aber ich bin einfach anders erzogen worden, nicht schlechter, im Gegenteil! Kann es sein, dass in Frankreich alle meinen, von Louis XIV. höchstpersönlich abzustammen?« Katja lachte herzlich. »Ja, das kann einem durchaus so vorkommen. Teilweise liegt es daran, dass alte Traditionen, die es in Deutschland längst nicht mehr gibt, hier noch stark gelebt werden.« Sie hob ihr Glas: »Prost, Frau Gräfin Fischer«, sagte sie amüsiert. »Ihre Durchlaucht«, erwiderte Paula mit einer gespielten Verbeugung. »Was für Traditionen meinen Sie denn genau?«, wollte sie nun von Katja wissen. »Also, ich erinnere mich zum Beispiel daran: Ich war wieder einmal in Frankreich zu Besuch, Matthieu und ich lebten damals noch in Berlin, da sagte seine Mutter plötzlich zu mir: › Katja, tu peux m’appeler Catherine. ‹ (Katja, du darfst mich Catherine nennen.) Ich war natürlich hocherfreut und gab ihr links und rechts ein Küsschen – ein Freundschaftsküsschen, wie man das eben so macht. Dann sagte ich: › Merci, Catherine, c’est très gentille de ta part. ‹ (Danke, Catherine, das ist sehr freundlich von dir.) Matthieus Mutter schaute mich leicht pikiert an und Matthieu nahm mich zur Seite. ›Nein, so geht das nicht‹, flüsterte er. Mir war wirklich nicht klar, was ich falsch gemacht hatte.«
Auch Paula schaute ratlos: »Wieso, was war denn?«
Was ist diesmal schiefgelaufen?
So einige Fettnäpfchen lagen auf Paulas und Katjas Wegen. Zum Beispiel gibt es viele Ausdrücke, die man unter Jugendlichen oder »unter sich« benutzt, die aber in den meisten offiziellen Situationen oder auch im Gespräch mit der älteren Generation, vornehmlich mit den eigenen Eltern, absolut tabu sind. Dazu gehören Flüche, alles, was irgendwie mit Fäkalien oder Geschlechtsorganen zu tun hat, aber auch viele andere Ausdrücke, bei denen man nicht ahnen kann, dass sie nicht gesellschaftsfähig sind. Für Paula war es nur eine Frage der Zeit, sich hier ins Fettnäpfchen zu setzen, denn sie konnte ja nicht wissen, dass die Kinder mit den Eltern eine andere Sprache sprechen als untereinander. Ça me fait chier (wörtlich: das macht mich »kacken«) – was Paula im Gespräch mit ihren Gasteltern verwendet hat, noch dazu bei Tisch – würde man mit »das macht mich wahnsinnig« übersetzen, scheint also vollkommen harmlos. Da aber das Wort »auf Fäkalbasis« gründet, ist es nicht salonfähig.
Hinsichtlich der Tagesplanung hat man in Frankreich wirklich ganz andere Vorstellungen als bei uns: Der Begriff des Feierabends lässt sich bezeichnenderweise nicht ins Französische übersetzen und das Wort »Hobby« hat im Französischen eine etwas negative Konnotation. Denn eine ausgeprägte Vorstellung von Selbstverwirklichung gibt es in Frankreich nicht. Was zählt, sind Leistungen. Kreative Früchte von Individuen werden kaum toleriert, sondern man wird eher als »Sonntagsmaler« oder »Sonntagsdichter« verspottet. Das deutsche »Zeit für sich haben« entspricht in Frankreich einem Ideal der Bildung, einem lebenslangen Lernprozess. Die Vorstellung von »an sich selbst arbeiten« und »sich selbst finden« gibt es in Frankreich weniger. Vielmehr ist hier der soziale Druck noch stärker als bei uns, den gesellschaftlichen Normen und Anforderungen gerecht zu werden. Es ist also nicht verwunderlich, dass sich Paula mit ihrer deutschen Sozialisation in Frankreich wie in ein Korsett gepresst fühlte. Vielleicht hätte sie nicht lügen sollen, um Katja zu treffen, sondern einfach die Wahrheit sagen können. Doch es ist relativ wahrscheinlich, dass man sie dann nicht fortgelassen hätte. Obwohl, wer weiß?
Ins fettigste Fettnäpfchen ist allerdings Katja gestiefelt, als sie ihre Schwiegermutter duzte (» ... de ta part «). Ihr Fehler liegt darin begründet, dass wir in Deutschland eine andere Vorstellung vomDuzen und Siezen haben: Schon in der Schule wird man in Deutschland meist mit Beginn des 18. Lebensjahres von seinen Lehrern gesiezt. In Frankreich wäre das unvorstellbar. Es hat sich als Tradition erhalten, dass ältere Menschen jüngere duzen, während die Jüngeren die Älteren siezen. Während Katja also von ihrer Schwiegermutter geduzt wird, wird Katja sie umgekehrt voraussichtlich ihr Leben lang siezen müssen. Für Katja ist das sehr fremd, in Frankreich vollkommen normal. Noch dazu ist die Version »Vorname und Sie« in Frankreich sehr viel geläufiger als in Deutschland.
Was können Sie besser machen?
Wenn
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