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Fettnaepfchenfuehrer Frankreich

Fettnaepfchenfuehrer Frankreich

Titel: Fettnaepfchenfuehrer Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Bouju , Johanna Links
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Anlauf und fragte sein Gegenüber nach dem Geschäft. Der andere reagierte relativ entspannt und sagte nur beiläufig, dass die bisherigen Abschlüsse zwischen beiden Häusern ziemlich ordentlich gewesen seien und er vermutlich dieser Tage den Vertrag unterschreiben werde. Ich konnte regelrecht zugucken, wie sich Matthieu entspannte. Als er sich dann sogar um die Rechnung riss, konnte ich einfach nicht fassen, was für ein absurder Abend das war. Das ganze Theater für eine einzige Bemerkung, eine Inszenierung par excellence.«
    Vor Paula und Katja spielte ein schöner junger Franzose sanft Gitarre und seine Freundin sang leise ein paar Chansons dazu. Die beiden wirkten glücklich und frisch verliebt. »Was soll’s«, sagte Katja abschließend. »Ich geh jedenfalls seitdem zu keinem Geschäftsessen mehr mit.« »Hm ... ja, da hast du recht.« Paula hörte nur noch mit halbem Ohr zu, zu versunken war sie in den Anblick des schönen Paares. »Ach, Paula, du wirst dich bestimmt auch ganz bald verlieben. Ich jedenfalls würde das, wenn ich Jean, Pierre oder Michel wäre.«
    Was ist diesmal schiefgelaufen?
    Was längst zu einemKlischee mutiert ist, stimmt aber doch: Franzosen gehen regelmäßig und entspannt bei Rot über die Ampel. Sie halten sich daran einfach nicht so streng und diszipliniert wie die Deutschen. Andersherum machen sich die Franzosen gerne über die Deutschen und deren Gehorsam lustig. Das typische Bild im deutschen Straßenverkehr ist: Die Fußgänger bleiben bei einer roten Ampel alle brav stehen, auch wenn weit und breit kein Auto zu sehen ist. Und wenn es einer wagt, über Rot zu gehen, wird der nicht selten von anderen Fußgängern ermahnt. Das wäre in Frankreich undenkbar. Erstens läuft jeder Fußgänger überrote Ampeln und zweitens mischen sich Franzosen nicht in Dinge ein, die »sie nichts angehen«. Jeder ist für sich selbst verantwortlich und wird nicht von anderen, die er nicht kennt, gemaßregelt.
    Katja wiederum ist gleich mehrfach angeeckt im Laufe dieses geschäftlichen Essens. Sie hat sich mit ihrer Rolle als schmückendes Beiwerk an dem Abend keineswegs zufriedengeben wollen, und statt die brave »Assistentin« zu spielen, hat sie nach einer Weile ein Gespräch mit der Gattin des Geschäftspartners angefangen. Das ist in diesem Fall nicht erwünscht, fast unhöflich. Die Frauen sollen das Gespräch ihrer Männer möglichst bereichern, mit netten kleinen Zusatzbemerkungen, und sich nicht in ein unabhängiges Zweiergespräch begeben, das Desinteresse an der eigentlichen Kommunikation signalisiert. Aus Höflichkeit ist die andere Dame auf Katjas Schritt eingegangen, hätte ihn aber vermutlich nicht von sich aus getan. Es ziemt sich einfach nicht, an einem solchen Abend den Alleingang zu mimen.
    Der wirkliche Fauxpas allerdings war Katjas Versuch, in dieser Konstellation über das aktuelle politische Geschehen in Frankreich zu sprechen. Bei einem offiziellenGeschäftsessen gibt es regelrechte No-go-Gesprächsthemen und dazu gehören Politik und Religion. Im Grunde zählt alles dazu, was unterschiedliche Meinungen und somit Dissonanzen hervorrufen könnte. Die Meinung des Einzelnen steht im geschäftlichen Zusammensein nicht im Vordergrund, vielmehr die leichte und entspannte Stimmung, die alles umschifft, was die leiseste Möglichkeit zum Konflikt bietet. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass bei Geschäftsessen Smalltalk gehalten wird, die Partner sich über allgemeine und vor allem »neutrale« Themen austauschen, bevorzugt übers Essen, gerne auch über (halbwegs) Privates. Es geht um eine gute Stimmung und nicht darum, schnell und effektiv ans Ziel zu kommen.
    Dass man genau durch dieses nette Geplänkel, das niemandem weh tut, einen fruchtbaren Nährboden schafft, um schließlich mit einer einzigen, wie nebenbei eingestreuten Bemerkung zum gewünschten Ergebnis zu gelangen, hatte Katja nicht nachvollziehen können. Stattdessen wollte sie durch ihre Frage zur aktuellen Politik etwas mehr Tiefgründigkeit in das Gespräch bringen und, wenn es ihr möglich gewesen wäre, das Ganze beschleunigen. Was ihr allerdings heftig missglückte, wie das allgemeine Schweigen überdeutlich zeigte. Deutsche Geschäftspartner pflegen im Geschäftsalltag einen sachlicheren Umgang miteinander. Vermutlich war Katja deshalb verwundert über diese Form der »Verhandlung«.
    Was können Sie besser machen?
    Ob wir das gutheißen wollen oder nicht: Paula wird im Laufe ihres Austauschjahrs bestimmt noch

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