Fettnaepfchenfuehrer Frankreich
Grüppchen, hier und da Gitarrenklänge und der wohl schönste Blick auf ganz Paris. Paula konnte nicht oft genug hier sein und Katja ging es genauso. »Ach, Katja, ich beneide dich!«, seufzte Paula in den weiten Abendhimmel. »Du arbeitest in Paris, hast dir einen Franzosen geangelt, und deine Kinder sprechen schon jetzt besser französisch als ich.« Katja knuffte Paula heftig in die Seite. »Jetzt hör aber mal auf! Du bist jung, hübsch, quasi in der Blüte deines Lebens und überhaupt. Wenn du wüsstest, wie hart der Anfang war. Glaub ja nicht, dass ich mich hier gleich in alles eingefunden habe.« »Nicht?« »Beileibe nicht. Zum Beispiel kann ich mich heute noch an jede Sekunde meines ersten geschäftlichen Abendessens erinnern. Schrecklich! Das war mit Matthieu, mit einem seiner Geschäftspartner und dessen Frau.« »Oh Gott, mir reicht ja schon das Abendessen mit meiner Gastfamilie. Jedes Mal beobachtet Claudine mich dabei, als wäre ich fünf!« »Ach, das darfst du dir nicht so zu Herzen nehmen, Paula. Sie meint es nicht böse, das alles spielt eben in ihrem Leben eine zentrale Rolle. Und im Leben meines Mannes auch. Deshalb musste ich damals auch mit, obwohl ich lieber alleine zu Hause geblieben wäre, mit einer guten Flasche Rotwein und einem tollen Alain-Delon-Film. Von dem kann ich einfach nicht genug kriegen. Hast du mal ›Der Swimmingpool‹ gesehen?« »Nee, ich kenn mich in der französischen Filmwelt noch nicht so aus. Ist der gut?« »Gut?! Großartig! Das ist DER Film mit Alain Delon und Romy Schneider. Für den standen die beiden zum ersten Mal nach ihrer Trennung wieder gemeinsam vor der Kamera. Da liegt eine Spannung in der Luft, die macht dich verrückt. Den musst du wirklich sehen, solange du hier bist. Versprichst du mir das?« »Versprochen! Aber was war denn jetzt mit diesem Essen?«
»Also: Vor dem Essen erklärte mir Matthieu eine geschlagene Stunde, was ich zu sagen und zu fragen hätte. Es ging um irgendeinen wichtigen Abschluss in seiner Firma und dieser Geschäftspartner zierte sich seit Wochen. Daher das Essen. In einem der edelsten Schuppen von ganz Paris. Ich hatte mein schickstes Kleid an – schlicht schwarz, aber mit tiefem Ausschnitt – und fühlte mich trotzdem wie Aschenputtel, als der andere mit seiner Frau im Arm auf uns zugeschossen kam. Sie glitzerte von oben bis unten.« »So wie Paris – unfassbar dieser Blick, oder?« »Ja! Also, jedenfalls, ich konnte zu dem Zeitpunkt schon ganz gut Französisch und fühlte mich eigentlich recht sicher. Aber dieser Typ kam aus dem Süden, und ich verstand nur noch die Hälfte. Das war das eine. Das andere war, dass sie die ganze Zeit über absolute Nebensächlichkeiten sprachen. Mit einem unglaublichen Enthusiasmus unterhielten sie sich über die köstliche foie gras , den guten Wein, darüber, wie gern sie beide segelten, über das letzte Fußballspiel, über den letzten Kinofilm, Frankreichs Norden und Frankreichs Süden – und so ging das eine halbe Ewigkeit, Paula. Ich bin fast gestorben vor Nervosität. Ich kannte ja das Ziel dieser ganzen Veranstaltung. Wir aßen die Vorspeise, die Hauptspeise, das Dessert – und kein einziges Wort zum Geschäft. Kein einziges! Kannst du dir das vorstellen? Ich bin wirklich fast verrückt geworden. Habe Matthieu mit Blicken zu verstehen geben wollen, dass er doch endlich mal das Eigentliche, das Geschäftliche ansprechen solle. Aber er schien nicht zu begreifen. Wir Frauen versuchten dann ein unabhängiges Gespräch zu führen – ich musste mich ja ablenken – über so spannende Dinge wie Mode und das Kinderkriegen und so was. Matthieu trat mir plötzlich mehrmals unterm Tisch auf den Fuß und ich wusste überhaupt nicht, was er wollte. Ich sah einfach nicht ein, dass ich wie ein dummes Püppchen den Tisch zu schmücken und den Mund zu halten hatte. Dann hätte er mich gleich zu Hause bei Alain Delon lassen können, oder?« »Absolut!«, bestätigte Paula schnell. Katja fuhr fort: »Irgendwann hat es mir gereicht. Ich habe diesen langweiligen, nicht enden wollenden Smalltalk unterbrochen und einfach eine Frage zur aktuellen politischen Lage gestellt. Daraufhin haben mich die beiden Herren angeguckt, als sei ich der Leibhaftige. Nach einer kleinen, aber verdammt peinlichen Schweigeminute haben sie kurz und trocken darauf geantwortet, um dann sofort über einen gemeinsamen Bekannten zu sprechen. Als wir schon unseren Espresso tranken, unternahm Matthieu endlich einen vorsichtigen
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