Fettnaepfchenfuehrer Italien
bei näherem Hinsehen als flach.
Als Paul Weiss wieder nach draußen trat, blendete ihn das helle Sonnenlicht. Verrückt, wie warm es für einen Spätoktobertag noch war! Er suchte sich auf der Karte eine schöne Route aus: vorbei am Pantheon über die Piazza Navona und die Engelsbrücke, vorbei an der Engelsburg und über die Via della Conciliazione, die wie eine Schneise auf den Petersdom zuführte, zum Vatikan.
Weiss hatte sich kurz vor dem Schlafengehen am Abend zuvor etwas eingelesen: Er wusste, dass diese Straße erst unter Benito Mussolini, also zu Zeiten des Faschismus, in Auftrag gegeben worden war. Die Umgestaltung der Kirchenumgebung war zwar schon in den Jahrhunderten davor oft geplant, aber nie begonnen worden. Nun hatten einige historische Gebäude weichen müssen, viele normale Wohnbehausungen noch dazu, und der Gedanke von Gian Lorenzo Bernini war ins Gegenteil verkehrt worden: Der Architekt, Bildhauer und Künstler Bernini wollte einen Überraschungseffekt für die Pilger schaffen, die aus dem Dickicht des Stadtviertels um Sankt Peter auf den Vorplatz der Basilika traten und sich plötzlich inmitten des weiten Runds der zwei von ihm entworfenen Kolonnadenreihen fanden. Jetzt trennte nur noch eine kleine metallene Abschrankung den Petersplatz vom Rest.
Rechts vor dem Petersdom befand sich der Eingang zu der Kirche – aber auch eine lange Schlange. Paul Weiss beschloss, dass eine Kirchenbesichtigung pro Tag reichen muss. Als er das letzte Mal in Rom war, gab es noch keine Metalldetektoren und keine Sicherheitskontrollen. Am Eingang der Basilika waren lediglich ein paar Aufpasser gestanden, die darauf achteten, dass alle Frauen ihre Knie und Schulter bedeckt hielten. Nun hat auch hier die Angst vor Terroranschlägen Einzug gehalten, dachte er bei sich und beschloss, sein Glück bei den vatikanischen Museen zu versuchen, wobei er vermutete, dass die Schlange vor dem Eingang dort noch länger sein werde als die für den Petersdom.
Weiss lief entlang der hohen Mauer, die den Vatikan wie ein Gefängnis von dem Wohnviertel Prati abgrenzt – oder war es andersherum, grenzte sich der Vatikan von den normalen Leuten ab? Häufig hört man von der Distinguiertheit des Klerus. Paul Weiss erinnerte sich aber auch, dass einige Gastwirte im Umfeld des Vatikans die kultivierte Klientel in den höchsten Tönen gelobt hatten. Trotzdem, die Mauer war deutlich zu schroff und zu hoch.
Weiss erwartete beim Biegen um die nächste Ecke das Ende der Besucherschlange. Aber nichts da. Auch nach der nächsten Straßenecke war keine Warteschlange in Sicht. Schließlich stand er vor dem Eingang. Sein Magen knurrte, er war jetzt doch schon eine ganze Weile unterwegs und hatte nur italienisch gefrühstückt, also einen Cappuccino und ein süßes Stückchen. Doch die Chance, ohne anzustehen in die weltberühmten vatikanischen Museen zu gelangen, wollte er sich nicht entgehen lassen.
14 Euro kostete der Eintritt, nicht gerade wenig Geld. Von seinem letzten Besuch wusste Paul Weiss, dass die Sammlung des Museums fast konkurrenzlos war. Oder wo fand man schon Mumien, Skulpturen, riesengroße Wandgemälde und Miniaturen, alles auf engem Raum, vieles von Weltruhm? Caravaggio, Raffaelo, Michelangelo… Paul Weiss konnte sich sofort wieder aufs Neue für den Reichtum des Museums begeistern. Er schlenderte gemütlich durch die Gänge, blieb mal hier, mal dort stehen. Doch nach drei Stunden, die er Gemälde betrachtet hatte und manchmal auch nur die Touristen, die schnurstracks zur Sixtinischen Kapelle eilten, wo sie die zwei sich fast berührenden Finger von Gott und Adam auf Michelangelos Bild »Die Erschaffung des Lebens« suchten, war sein Hunger stärker als jede Kunstlust und er ging nach draußen.
Mit einem Stück Pizza im Bauch war das Leben doch gleich viel angenehmer. Jetzt noch einen leckeren Kaffee, und dann Richtung Hotel, dachte sich Paul Weiss. Auf dem Heimweg kam er am Eingang zum Vatikan vorbei, dort, wo es zum Campo Santo Teutonico, dem deutschen Friedhof geht, übrigens eine einfache Möglichkeit, mal ins Innere des Vatikans zu kommen – bis mittags um zwölf lassen einen die Schweizer Garden durch, wenn man sagt, dass man den deutschen Friedhof, eben den Campo Santo Teutonico, besuchen möchte. Allerdings gehört der Campo Santo Teutonico offiziell nicht zum Grundbesitz des Vatikans, er gilt als »exterritoriale Besitzung«.
Paul Weiss gefielen die Schweizer Gardisten mit ihren bunten Uniformen. Er hörte
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