Fettnaepfchenfuehrer Italien
keinen Schaden haben. Wie immer gilt: Sich nicht nervös machen lassen im italienischen Verkehr. Falls Sie aber einen Unfall haben sollten, rufen Sie am besten die Polizei, wenn der Schaden größer ist. Sind es nur kleinere Blessuren, dann fragen Sie ihr Gegenüber tatsächlich nach dem »Dschidd«, dem CID. Ausgeschrieben heißt das Convenzione indennizzo diretto , falls Sie das einmal brauchen, »Übereinkunft über direkte Entschädigung«. Klingt gut und funktioniert offenbar auch gut, zumindest für italienische Verhältnisse.
Auf der Basis dieses Formulars verhandeln dann ihre Versicherung und die ihres Unfall-»Partners« möglichst rasch und unbürokratisch direkt miteinander.
Wie Paul Weiss auf einen Anti-Star trifft
Ein Klick zuviel
Paul Weiss hatte den Wagen noch am Samstagabend zu einem kleinen Lackierbetrieb in der Nähe seines Hotels gebracht, damit ein Fachmann den Schaden begutachten und schätzen könne. Weiss hatte bei der Hotline seiner Versicherung angerufen und dort gesagt bekommen, dass er einen Kostenvoranschlag einreichen müsse. Der Karosseriemeister hatte in seinem rumpeligen Englisch auffällig oft nachgefragt, wofür er den Kostenvoranschlag brauche. Paul Weiss wurde schließlich klar, dass der Mann ihn sehr wohl verstand und ihm einen Deal anbieten wollte. Man sei flexibel bei den Preisen, sagte der Mann, doch Paul Weiss winkte ab. Er brauche den Schein für die Versicherung, da sei Genauigkeit wichtig, versuchte er so diplomatisch wie möglich deutlich zu machen, dass er keine Tricks wünsche.
Nun war Sonntagmorgen, Paul Weiss war ausgeschlafen, er war am Vorabend früh zu Bett gegangen, hatte nur noch ein Bier an der Hotelbar getrunken. Er beschloss, seine Kamera zu nehmen und Rom zu erkunden. Franziska war schon mit Freunden verabredet, hatte sie gesagt, also ging er alleine auf Tour. Sein Ziel sollte der Vatikan sein. Vielleicht würde er auch die Vatikanischen Museen besuchen; üblicherweise musste man dafür aber lange in der Schlange anstehen, zumal an einem Samstag. Darauf hatte er heute keine Lust.
Paul Weiss war verwundert, wie schnell man ruhige Gassen fand in Rom, wenn man nur abseits der Touristenpfade ging. Es begeisterte ihn, wie die Millionenstadt sich doch ihren eigenen Charakter, ihren Charme bewahrt hatte. Noch gab es hier nicht die üblichen standardisierten Einkaufsstraßen mit den Ladenketten, die er von Städten wie Frankfurt, Düsseldorf, Köln, Stuttgart und Dresden kannte. Er spazierte vorbei an kleinen Friseurläden, biederen Bars und Tante-Emma-Läden.
Irgendwie stand er plötzlich auf der Piazza Venezia, er wusste selbst nicht genau, wie er da hingekommen war. Er hatte sich etwas treiben lassen, war nur dem Gefühl nach gegangen und hatte die Planlosigkeit genossen. Bei einem früheren Rom-Besuch hatte es Paul Weiss verpasst, die Kirche Sant‘Ignazio, die ebenfalls im Zentrum lag, zu besuchen. Gerlinde und Martin, ein mit ihm und seiner Frau befreundetes Ehepaar, hatten ganz entsetzt getan, als sie von ihrem Rom-Urlaub berichtet hatten. Die beiden hatten heftigst von den Deckenmalereien dort geschwärmt. Es seien die Schönsten, die sie je gesehen hätten, meinte Gerlinde.
Paul Weiss kramte seinen Stadtplan hervor, um den Weg zu der Kirche zu finden. Die Kirche, stellte Weiss erfreut fest, war direkt um die Ecke.
Von außen wirkte der Bau einfach nur klobig. Doch Paul Weiss war tatsächlich überrascht von ihrem Inneren. Der Blick nach oben begeisterte ihn. Man schien direkt in den Himmel zu schauen, einen wolkenbehangenen Himmel, der über einer nach oben offenen Säulenreihe hing. Die Konstruktion schien auf den Mauern der Kirche aufzubauen, doch es war alles nur Schein: Der Freskenmaler Andrea Pozzo hatte sein Gemälde so aufgebaut, dass ein räumlicher Eindruck entstand. Es war mächtig was los an diesem Himmel: Viele Engel schwebten durch die Szenerie, die eine Verherrlichung des Heiligen Sankt Ignazius zeigt, der wenige Jahre vor Fertigstellung der Kirche heiliggesprochen worden war. Auf dem Bild ist seine Fahrt in den Himmel dargestellt, die Erde wird mit den vier Kontinenten Afrika, Amerika, Asien und Europa versinnbildlicht – mehr Kontinente kannte man damals noch nicht. Paul Weiss beeindruckte besonders ein Fuß, der scheinbar nach unten ragte, und doch – wie alles – plan war, kunstvoll gemalt, das Auge mit Schatten und Proportionen täuschend. Selbst die etwas düstere und beleuchtete Kuppel im vorderen Teil der Kirche erwies sich
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