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Fettnaepfchenfuehrer Italien

Fettnaepfchenfuehrer Italien

Titel: Fettnaepfchenfuehrer Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandro Mattioli
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Erziehung ist
    Kinder stören nie, egal was sie tun oder wie laut sie sind
    Paul Weiss hatte sich im Hotel etwas frisch gemacht. Zuvor hatte er sich nur kurz hinlegen wollen, war aber eingeschlafen und erst nach eineinhalb Stunden wieder aufgewacht. Während er sich noch etwas benommen rasierte, dachte er darüber nach, Franziska anzurufen und sie noch einmal zum Essen einzuladen. Er entschied sich jedoch dagegen, er würde ja noch genug Zeit dazu haben, und außerdem wollte er auch nicht zu aufdringlich sein. Stattdessen fragte er an der Rezeption nach einem netten Lokal in der Umgebung und ging los.
    Die Luft draußen roch etwas abgestanden. Die orangenen Straßenlaternen gaben Rom einen warmen Anstrich, und in der Tat, es war ja auch noch warm: 18 Grad und Mitte Oktober. In Deutschland musste man abends jetzt schon dick eingepackt sein, in Rom ginge es zur Not noch im T-Shirt, auch wenn man die Temperatur hier aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit etwas kühler empfand, als sie tatsächlich war.
    Der Portier hatte den Weg ziemlich genau beschrieben, und in der Tat, da war das Lokal. »Africa« hieß es, Paul Weiss hatte Lust auf fremde Gerichte. Er war zwar erst seit kurzer Zeit in Italien und eigentlich in die Küche des Landes vernarrt, aber heute war ihm nach afrikanischem Essen. Es gab rund um den Hauptbahnhof viele Afrikaner, sie unterschieden sich kaum in Preis und Qualität, sagte der Portier. Wenn er einen richtig guten Afrikaner wolle, müsse er ein Taxi nehmen und zur Piazza Bologna fahren. Doch, doch, die Afrikaner beim Hauptbahnhof seien auch gut, sagte der Portier, er habe noch nie etwas Schlechtes von Gästen gehört, die dort gegessen hätten. Das passiere aber auch nicht so oft, meist gingen die Gäste italienisch essen – oder zu McDonalds, wie er mit einem Schulterzucken hinzufügte.
    Die Gaststätte war gut gefüllt, was Herr Weiss als gutes Zeichen deutete. Nur zwei Tische waren noch frei. Ob er einen afrikanischen Tisch oder einen italienischen wolle, fragte der Ober, ein Herr mit grau melierten kurzen Kraushaaren und einem freundlichen Blick. Der Ober führte ihn dann zu einem afrikanischen runden Tisch, der mit einer Basthaube abgedeckt war. »Bitte sehr!«
    Paul Weiss bedankte sich und fühlte sich gut aufgenommen. Das Lokal war mit dem üblichen Nippes dekoriert. Hier ein Bild aus der Steppe, dort eine Landkarte, ein paar Bastdächer. Er mochte diese angedeutete Fremdartigkeit. Am Nachbartisch aßen zwei italienische Familien mit vielen Kindern. Einer der Jungen krakeelte, er wolle Pommes frites. Das Wort dafür, Patate fritte , kannte Herr Weiss noch von den früheren Urlauben. Er selber hatte nie Pommes frites bestellt, da man nie sicher sein konnte, dass sie auch frisch aus der Fritteuse kamen.
    Herr Weiss studierte die Karte. Die Familie am Nachbartisch war offensichtlich mit Essen fertig, zumindest die Kinder, denn der Lautstärkepegel erhob sich schlagartig. Die Kinder saßen bald darauf auch nicht mehr am Tisch, sondern liefen quer durch das Lokal. Können die ihre Kinder denn nicht ordentlich erziehen, dachte Herr Weiss bei sich, das ist ja ein Lärm hier!
    »Schau mal, wie Lorenzo Grimassen ziehen kann!« rief einer der Erwachsenen, fast in derselben Lautstärke wie seine Kinder.
    »Großartig!« sagte eine Frau am Tisch stolz, vielleicht war es Lorenzos Mutter.
    Paul Weiss verstand nicht, was die Eltern sagten, aber anhand ihrer Mimik und Gestik konnte er sich zusammenreimen, was sie sagten. Lorenzo war auf einmal der Held in der Kindergruppe. Und jetzt ging es erst richtig los: Jedes der Kinder versuchte, die Aufmerksamkeit der Erwachsenen auf sich zu ziehen, die sich schon wieder ins laute Gespräch vertieft hatten. Ein Junge machte Hampelmannsprünge, er mochte etwa sechs Jahre alt sein. Eigentlich zu alt für so einen Quatsch, dachte Herr Weiss, schon leicht verärgert. Er hatte einfach in Ruhe essen wollen, dazu gemütlich ein Bier trinken. Und jetzt tobte hier der Kindergarten.
    Als dann ein dritter Junge – merkwürdigerweise waren es nur die Jungen, die so laut waren, nicht die Mädchen, sie standen neben den Buben und schauten zu – lauthals anfing, Hits aus den aktuellen Charts zu singen und er es sogar schaffte, bewundernde Blicke von den Erwachsenen am Tisch zu bekommen, wurde es Herrn Weiss zu bunt. Zunächst versuchte er es im Guten, legte den Zeigefinger an den Mund und versuchte, mit einem »Pssst!« den Kindern klar zu machen, dass sie leise sein sollten. Es

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