Fettnaepfchenfuehrer Italien
Trombetta gefragt werden müsste, ob er mitkommen möchte. So fühlt er sich unwohl, da er sich ja quasi selbst einlädt. Damit könnte Trombetta den Eindruck bekommen, er wolle sich in Sachen einmischen, die nicht Seine sind, und das kommt in Italien noch schlechter an als in Deutschland.
Was können Sie besser machen?
Am besten wäre gewesen, Paul Weiss wäre zu Trombetta gegangen, hätte mit ihm besprochen, dass er Lo Mele und ihn zum Essen einladen möchte, und Trombetta hätte dann Lo Mele angesprochen. So wäre die Frage nach dem Zeitpunkt für das Essen wohl auch gar nicht aufgekommen und Paul Weiss eine Peinlichkeit erspart geblieben. Gewiss, dieses Vorgehen ist kompliziert und umständlich. Aber es hat auch nie jemand behauptet, dass das Spiel mit den italienischen Hierarchien einfach wäre, oder?
So aber hat Paul Weiss gezeigt, dass er von einem wesentlichen Bestandteil der italienischen Gesellschaft, nämlich dem Essen, nicht allzu viel Ahnung hat. Für Italiener ist es völlig normal, sehr spät zu Abend zu essen. Vor allem im Sommer kann es auch mal 22 Uhr werden. Übrigens isst man trotzdem nicht leicht, sondern Pasta oder eine Suppe, im Anschluss daran oft Fleisch oder Eier mit Gemüse als Beilage, dazu Salat und Brot, und danach einen Kaffee und oder einen Amaro .
»Oh Gott, da werde ich ja teigfett«, würden viele Deutsche wohl sagen. Vermutlich hat sich der italienische Organismus im Lauf der Jahrzehnte an die späten Essenszeiten angepasst, denn auch wenn viele Italiener nicht ganz schlank sind, teigfett sind die wenigsten.
Wie Paul Weiss Aufsehen erregt
Der schnellste Mann im Anzug von ganz Rom
Paul Weiss hatte im Hotel ein Funknetzwerk, das mal recht mal schlecht funktionierte, aber immerhin konnte er damit seine Emails abrufen und auf neue Dokumente im Firmennetzwerk zugreifen. Darin enthalten war ein umfangreiches Strategiepapier, das auch die Logistik und vor allem die Pelaccia s.r.l. betraf. Er lag auf seinem Bett und las Seite um Seite auf dem Display seines Laptops. Ab und zu fiel die Verbindung aus, dann schimpfte er.
Schließlich fiel sein Blick auf die Uhr im rechten unteren Eck. Ein Schreck durchzuckte ihn: Es war schon kurz vor Acht! Um Gottes willen! In einer halben Stunde sollte er in San Giovanni sein, und er hatte sich noch nicht frisch gemacht. Das musste dann wohl ausfallen.
Er sprang auf. Spurtete ins Bad. Sprühte sich Parfüm an den Leib. Spielte kurz mit dem Gedanken, sich zu rasieren, er hatte es am Morgen nicht getan. Zog seine Schuhe an und spürte beim Aus-dem-Zimmer-Stürmen nicht, dass ein Knoten schon wieder aufgegangen war.
Zum Glück kam gleich ein Taxi.
»Do you speak english?« fragte er den Fahrer, nachdem er eingestiegen war.
Der Mann, dem Aussehen nach ein Mexikaner, der Musik nach ebenso, schüttelte den Kopf.
» Fran ç ais ?«
» Non. «
»Deutsch?«
» Non .«
»San Giovanni, rapido!« sagte Paul Weiss.
»Muy dificil!«
Der Taxi-Fahrer mühte sich nach Kräften, schnell vorwärtszukommen. Er nutzte jede freie Lücke, drängelte sich zwischen parkenden und fahrenden Autos seitlich durch, überholte, gab Gas und umschiffte geschickt jedes Hindernis. Am Ende obsiegte der Stau. Kurz vor der Porta San Giovanni. Die Uhr blinkte oberhalb des Armaturenbretts: 20:23:35. 20:23:36. 20:23:37. Paul Weiss war nervös.
»Quanto« , fragte er schließlich den Fahrer und rieb Daumen und Zeigefinger aneinander, mit der Hoffnung, dass dieses Zeichen international gebräuchlich sei.
Der Taxifahrer zeigte auf das Taxameter: 20,40 Euro zeigte es an. Paul Weiss nahm 25 Euro aus seinem Geldbeutel, drückte sie dem Mexikaner in die Hand und riss die Tür auf. »Adios!«
Der Mexikaner verstand, dass er das Restgeld behalten konnte und strahlte. Ein Goldzahn blitzte auf. »Gracias, señor , muchas gracias!« Doch Paul Weiss hörte den Dank schon nicht mehr, er war bereits auf dem Weg in Richtung des Restaurants. Er konnte doch unmöglich zum ersten Kennenlern-Essen zu spät kommen.
Paul Weiss rannte. Fast wäre er wegen seines offenen Schuhs gestolpert.
Hier um die Ecke musste es sein. Zum Glück hatte er einen guten Orientierungssinn.
Er stand vor dem Eingang. Seine Armbanduhr zeigte 20:34 Uhr. Von Trombetta keine Spur. Auch Lo Mele war noch nicht da. Paul Weiss öffnete die Tür und sah sich im Lokal um. Keiner von beiden. Sollte er jetzt vor dem Lokal warten? Oder drinnen? Er hatte keine Ahnung, wie man sich in so einem Fall richtig verhält. Paul Weiss
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