Fettnaepfchenfuehrer Italien
blieb draußen stehen, da konnte er besser abkühlen. Das Laufen hatte ihn ganz schön angestrengt, er war ins Schwitzen geraten. Paul Weiss lüftete seine Jacke, zupfte sich die Krawatte zurecht und wartete.
Was ist diesmal schief gelaufen?
Herr Weiss ist mit seinem deutschen Konzept von »Zeit« an die Verabredung herangegangen und deshalb am Ende auch herangerannt. Italiener haben eine andere Auffassung von Zeit. Zeit ist nicht gleich Geld, wie das in Deutschland ist, sondern sie ist ein quasi unendlich verfügbarer Rohstoff, mit dem verschwenderisch umgegangen wird. Zeit hat keinen so hohen Wert im italienischen Leben, auch nicht die Zeit anderer, die man in Anspruch nimmt, wenn man sie warten lässt.
Das hat Vorteile, etwa den, dass Italiener oft gerne bereit sind, viel Zeit für ihre Arbeit aufzubringen, das hat aber auch den Nachteil, dass die zur Verfügung stehende Zeit – nach deutschen Gesichtspunkten – nicht optimal eingesetzt wird. Ein weiterer Nachteil ist, dass man oft länger auf Handwerker und andere Dienstleister warten muss. Oder dass bei komplexeren Arbeiten kaum die gegebenen Fristen eingehalten werden. Dass ein Aufzug in einem Wohnhaus erst mehrere Monate nach dem ursprünglich vereinbarten Termin fertiggestellt wird, ist keine Ausnahme.
Was können Sie besser machen?
Es war sicher besser, vor dem Lokal zu warten. So erspart Paul Weiss Trombetta und Lo Mele, ihn suchen zu müssen. Idealerweise gibt er noch im Lokal Bescheid, dass er bereits da ist, der Rest der Gruppe jedoch noch nicht, sodass die Plätze nicht in Gefahr geraten. Allerdings sind italienische Gastwirte in der Regel sehr viel kulanter, was zu spät kommen anbelangt, als ihre deutschen Kollegen, wo schon mal nach zehn Minuten die reservierten Plätze freigegeben werden.
In Italien hat man Zeit, in Italien rennt man nicht in der Öffentlichkeit. Und wenn, dann nur in auffälliger Sportkleidung, sodass auch jeder sieht, dass man ein sportlicher Mensch ist, der gerade keine Eile hat, sondern Spaß an der Bewegung. Dem Bus rennt man nicht nach. Weil man spät dran ist, rennt man gleich gar nicht. Man kommt einfach zu spät. Und im Anzug zu schnell zu laufen, käme einem Italiener erst recht nicht in den Sinn. Wie sieht das denn aus!
Es ehrt Herrn Weiss, dass er pünktlich sein wollte, allein, es war völlig unnötig, was sich auch daran zeigt, dass weder Stefano Lo Mele noch Jacopo Trombetta pünktlich sind. Vor allem Stefano Lo Mele, der in der Hierarchie am tiefsten steht, hätte eigentlich als Erster da sein müssen. Ist er aber nicht.
Das hat immerhin den Vorteil, dass Paul Weiss, der den Tisch bestellt hat und damit weiß, auf welchen Namen, als Erster da ist und alles regeln kann.
Wie Paul Weiss zu wenig bestellt
Primo inter pares
Kurz drauf kam Stefano Lo Mele, ganz gemütlich ging er auf das Lokal zu. Paul Weiss sah ihn und winkte ihm, Lo Mele winkte zurück.
»Guten Abend«, sagte er, als der junge Logistiker vor ihm stand. »Sagen Sie, spricht Jacopo Trombetta eigentlich Englisch?«
»Lassen Sie sich überraschen«, antwortete Lo Mele vieldeutig. »Sie werden sicher Ihren Spaß haben!«
Schließlich kam auch Jacopo Trombetta an. Ein schwarzer, schon etwas älterer Alfa Romeo fuhr heran, die Hintertür sprang auf, Trombetta wuchtete seinen Körper heraus und grüßte die zwei Männer, die auf ihn warteten.
»Nino, ich melde mich dann später. Lass Dein Telefon bitte an.«
»Geht klar«, sagte Nino, Trombettas Fahrer, und legte den ersten Gang ein. »Schönen Abend!«
Gemütlich fuhr er davon.
»Meine Frau ist leider verhindert heute Abend«, sagte Stefano Lo Mele auf Englisch.
Paul Weiss schaute verdutzt, sagte dann aber: »Meine auch.«
»Das ist lustig«, sagte Jacopo Trombetta und lachte lauthals. Nicht nur seine Stimme, auch sein Lachen war etwa eine Oktave zu hoch für seine Statur.
»Lasst uns nach drinnen gehen, ich habe Hunger«, sagte Paul Weiss und öffnete den beiden Männern die Tür. Lo Mele ließ Trombetta den Vortritt. Im Vorbeigehen schrammte Trombetta mit seinem Bauch an dem schmächtigen Lo Mele vorbei, sodass dieser einen Schritt nach hinten machen musste und fast hinfiel. Trombetta entschuldigte sich nicht.
»Hier muss ein Tisch für Trombetta reserviert sein«, sagte der Presidente im Lokal zum Kellner. Paul Weiss hörte nur Trombetta und stupfte den Presidente an.
»Per Weiss.«
Trombetta ließ den Kellner zum Tresen gehen, dort die Reservierungen kontrollieren und wieder
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