Feucht in Oel - Geheime Genuesse
Haus.«
Der Polizist informierte seinen Kollegen und forderte Verstärkung an. Er bat Lina, sich wieder einzuschließen. Es verging eine Weile. Sie hörte mehrere Personen in schweren Stiefeln Treppen steigen. Klingeln. Türen, die sich öffneten, Polizisten, die den Bewohnern der anderen Wohnungen Fragen stellten, Türen, die sich wieder schlossen. Eine halbe Stunde lang glichen sich die Geräusche, bis es plötzlich hektisch wurde.
»Halt! Stehen bleiben!«
Weitere Beamte bellten Kommandos hinterher.
»Halt, oder ich mache von der Schusswaffe Gebrauch! Auf den Boden! Auf den Boden! Hände hinter den Rücken! Hände hinter den Rücken! Sofort!«
Lina erschrak, wie rigoros und aggressiv die Beamten ihre Befehle brüllten. Gleichzeitig fiel der Druck von ihr ab und sie wäre Hauptmeister Brenner, der sich keine Minute später mit der Erfolgsnachricht meldete, am liebsten um den Hals gefallen. ›Mein Freund und Helfer‹, dachte Lina.
»Wir haben den Mann bereits abgeführt und werden ihn heute noch vernehmen. Wir halten ihn über Nacht fest. Könnten Sie morgen um 10 Uhr zu einer Gegenüberstellung und Befragung kommen? Kriminalhauptkommissar Schneider wird Dienst haben.«
»Ja, natürlich. Und vielen Dank.«
»Gerne, Frau Leb. Also, dann bis morgen.«
Lina schloss die Tür und lehnte ihren Kopf an. Wer konnte daran interessiert sein, sie so in Panik zu versetzen? War es eine Einzelperson oder steckte System dahinter? War sie nun in Sicherheit, oder kam gleich der nächste Verfolger? Was, wenn ihr Stalker schon am nächsten Tag wieder freigelassen werden würde – wer soll sie dann schützen? Diese und viele andere Gedanken drehten sich in Linas Kopf und ließen sie keine Ruhe finden. An Schlaf war nicht zu denken.
***
Lina stand schon um 9 Uhr 30 vor Kriminalhauptkommissar Schneiders Büro. Er hatte Zeit und so wurde die Gegenüberstellung vorverlegt. Man brachte sie in einen abgedunkelten Raum. Ihr Peiniger saß im gegenüberliegenden Vernehmungszimmer. Im Schutz der verspiegelten Glaswand erkannte sie den Mann sofort. Lina schauderte.
Es war Sandro. Alessandro Bonamente. Ihr früherer Personal Trainer .
»Sie erkennen Herrn Bonamente?«, ließ sich KHK Schneider mündlich bestätigen, was leicht an Linas Gesichtszügen abzulesen war.
»Ja. Alessandro, ein Bekannter aus Frankfurt.«
»Warum ist Herr Bonamente hinter Ihnen her?«
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Lina, der eine Träne über die Wange lief. Wie konnte Sandro ihr so einen Schreck einjagen?
»Haben Sie mit ihm eine Beziehung?«
»Nein. Er war ... mein Fitnesstrainer, nicht mehr.«
»Wollen Sie mit ihm reden?«
Lina überlegte. Sie wusste, dass Sandro ihr nichts antun würde. Sie kannte ihn seit Jahren und bisher verhielt er sich mustergültig. Sie dachte daran, wie sie ihn fälschlich für einen Italo-Hengst gehalten hatte, der seinen Kundinnen nachsteigt. Und wie er sie in ihrem Elend sitzen ließ, als sie nach seinem Körper verlangte. Sie wollte ihn als Callboy und hatte damit seinen Stolz verletzt. Sie war es ihm schuldig, mit ihm zu reden.
»Ja, ich rede mit ihm.«
»Soll ich dann bei Ihnen im Vernehmungsraum bleiben?«
»Nein, ist nicht nötig.«
»Dann beobachte ich Sie von hier und greife notfalls ein.«
»In Ordnung.«
KHK Schneider führte Lina ins Zimmer.
»Lina!«, rief Sandro und sprang auf.
»Hinsetzen!«, schrie Schneider, rannte zwei Schritte zu Alessandro und drückte ihn energisch auf seinen Stuhl hinunter.
»Aber nein – ich freue mich nur so, sie zu sehen.«
»Ich bleibe doch kurz hier, Frau Leb«, sagte Schneider, »zu Ihrer Sicherheit.«
Lina nickte. »Sandro, was machst du?«, fragte sie und setzte sich auf den freien Stuhl.
»Lina, ich bin so froh, dich zu sehen. In Frankfurt ist die Hölle los. Ich dachte, du wärst tot! Oh Gott, Lina, ich bin so froh, dass es dir gut geht. Dir geht es doch gut, oder?«
»Ja, Sandro. Bis gestern, als du mir einen Riesenschreck und eine schlaflose Nacht beschert hast.« Linas Wut kochte hoch. Was fiel diesem Mann ein, sie in Todesangst zu versetzen? »Sag mal, Sandro, spinnst du? Und was heißt ›tot‹? Sind jetzt alle bescheuert, oder was?«, raunte sie und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Sandro erschrak. Er holte tief Luft, um zu einer umfangreichen Stellungnahme anzusetzen.
»Lina, lass mich bitte erklären. Ich hab dich in Frankfurt weggestoßen und bin einfach abgehaut. Ich hab mich so dafür geschämt, dass ich nicht mit dir geredet
Weitere Kostenlose Bücher