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Feucht

Feucht

Titel: Feucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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räusperte sich. Die Hand des Mädchens lag noch auf ihrer Schulter, warm und leicht wie eine Feder, und Renate dachte, dass sie sich von dieser Hand schon gerne das Licht zeigen ließe. «Weißte was, Mädchen?», sagte sie, «ich nehm dich mit, und dann hast du dein Camp in ein oder zwei Tagen wieder.» Sie lachte. «Ich fahr nämlich einen verdammt flotten Stiefel.» Das Mädchen lachte auch, und lief zurück zum Parkplatzende, um ihre Sachen zu holen.
    Renate saß schon wieder hinter dem Steuer und nahm ihr den schweren Rucksack ab. «Die Harfe behalte ich in der Hand», strahlte das Mädchen sie an und hielt eine kleine Handharfe hoch. «Ich heiße Renate», sagte Renate. «Bess», sagte das Mädchen und schnallte sich an. Renate startete, der Lastwagen begann zu vibrieren und fuhr dann ganz sachte an. «Ganz sachte», dachte Renate, «nicht zu ruckelig, ich will sieja nicht erschrecken. So einen Käfer muss man behutsam fangen.» «Was treibt ihr denn noch außer beten?», fragte sie. «Ich mache Musik», sagte Bess. «Das Licht, unser einziger Gott, mag es, wenn wir fröhlich sind und ihn mit Liedern anbeten.» «Bist du also eine Gottesanbeterin?», lachte Renate und stahl sich aus den Augenwinkeln einen Blick auf den schmalen Hals und die feinen Hände des Mädchens. Bess machte es sich im Schneidersitz bequem und schlang die langen Arme hinter ihrem Nacken um die Kopfstütze. «Was sagen sie denn im Radio?», fragte sie.
    Renate drehte den Sender wieder lauter. «... wurde ein Polizeipsychologe aus den Staaten eingeschaltet», sagte die Stimme gerade. «Der Gesuchte ist vermutlich weiß, zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig Jahren alt und hochintelligent, möglicherweise ein Arzt.» «Ein Arzt», schüttelte sich das Mädchen, «von so einem komm ich gerade. Und ich hab immer gedacht, die schlauen Leute sind anders als die, die Verbrecher werden.» Sie kicherte: «Ich hab nicht mal die Schule zu Ende gemacht. Das Licht hat mich vorher gerufen. Und vor dem Einen sind wir sowieso alle gleich.» Sie lächelte Renate an: «Du bist sehr lieb, vielen Dank, dass du mich mitnimmst.» «Keine Ursache, Mädchen», schnaubte Renate und wagte sich mit der Hand vor auf das grüne Knie direkt neben dem Schaltknüppel. Sie tätschelte es. Bess lächelte und begann zu summen, mit den Fingerkuppen strich sie über die kleine Harfe. Eine richtige Melodie war das nicht, eher ein Zirpen. Renate schaltete das Radio ganz aus und sah Bess ab und zu an, um sie zu ermuntern weiterzusummen und um ihren Mund anzustaunen, ihren weichen, prallen Kindermund, der feucht glänzte, wenn sie zurücklächelte. Sie stellte sich vor, wie sie diesen Mund küssen würde, ganz vorsichtig zunächst, wie sie dann hineinbeißen würde, bis es blutete, und wie erregend es sein würde.
    «Wie alt bist du denn?», fragte sie die Kleine irgendwann. «Gerade sechzehn.» Ihre Augen waren grün und so groß, fast kam es Renate vor, als sei die glitzernde Iris viel größer als alle anderen Frauenaugen, die sie jemals gesehen hatte. Sie konnte auch keine Pupille erkennen, aber das lag am Licht, denn langsam dämmerte es draußen, und Renate überlegte fieberhaft, was sie mit dem Mädchen anstellen könnte, wenn sie in einer Stunde aufhören musste zu fahren. «Und da lassen dich deine Eltern alleine herumreisen?», fragte sie. Bess schmollte: «Ich hab keine mehr.» «Oh», Renate streichelte ihr über die Wange, «das tut mir Leid.» «Das macht nichts», erklärte Bess und lachte sofort wieder: «Ich habe ja meine Leute. Und das Licht des Einen hat mich auserwählt. Das ist doch ein großes Glück: auserwählt zu sein.» «Ich bin's bestimmt nicht», lachte Renate krächzend und drehte das Radio wieder an. Es war eine Marotte von ihr, auf langen Fahrten beschäftigte sie sich mehr mit dem Radio als mit dem Rückspiegel. Zuerst kam Musik, dann wieder eine Stimme, die nur langsam zu Renate durchdrang: «Wahrscheinlich reist der Gesuchte Richtung Westen. Schlafen Sie nicht im Freien und meiden Sie ungesicherte Apartmentanlagen.» Das war das Stichwort.
    «Hör mal, Herzchen, der Irre fährt in unsere Richtung. Wo schläfst du denn heute Nacht?», erkundigte sie sich beiläufig bei dem Mädchen. «Draußen», sagte Bess, «wir Kinder des Lichts reisen immer ohne Geld, das belastet nur, und der Eine schützt uns.» Und dann mit einem treuherzigen Blick: «Du musst dir keine Sorgen machen.» «Mache ich aber», sagte Renate energisch, sah auf die Uhr

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