Feuchtgebiete: Roman (German Edition)
geschafft. Mich so kommen zu lassen, dass ich die Kontrolle über meine Blase verliere. Und ich war noch nicht mal besoffen oder so was.
Etwas später war er dann auch sehr stolz. An dem Tag habe ich von Pinkel-Peter für mein Lebensbuch gelernt, dass Pisse im Auge sehr brennt. Wie hätte ich das sonst je erfahren?
»Wo ist Robin?«
»Schichtwechsel. Ich bin die Nachtschicht.«
Schon so spät? So schnell geht ein Tag im Krankenhaus rum? Tatsächlich. Ist schon dunkel. Ich werd verrückt. Sehr gut. Alles nicht so schlimm hier, Helen, die Zeit verfliegt, wenn du in deinem eigenen Kopf spielst.
»Also, wie kann ich helfen?«
»Ich wollte Robin um einen Gefallen bitten, bei dir ist mir das etwas unangenehm. Wir kennen uns noch nicht.« Diesmal überspringe ich das Siezen, kommt mir in dieser schamlosen Situation fehl am Platze vor.
Irgendwie kann man sich schlecht siezen, wenn einer von beiden mit nacktem Arsch daliegt.
»Was für ein Gefallen?«
»Ich habe eine Pizza bestellt, die kommt gleich unten an, und ich kann sie nicht abholen. Ich brauche jemanden, der gehen kann und mir hilft, die hier hochzuschaffen.«
Vielleicht interessiert sich so ein Pfleger gar nicht für richtige Ernährung, und das geht jetzt einfach glatt durch.
»Sollst du nach der Operation nicht ballaststoffreich essen? Müsli? Vollkornbrot?«
Mist.
»Ja. Soll ich. Hat Pizza keine Ballaststoffe?«
Superidee. Auf dumm machen.
»Nein. Ist eher kontraproduktiv.«
Kontraproduktiv – gegen Produktion. Die haben hier alle nur Stuhlgang im Kopf. Ist doch meine Sache.
»Es ist aber auch wichtig, Dinge zu essen, die der Bauch kennt. Plötzliche Ernährungsumstellung ist auch nicht gut, um den Stuhlgang zu fördern. Bitte.«
Das Telefon klingelt.
Ich geh ran.
»Ist die Pizza da?«
Ich halte den Hörer weg und lächle Peter an, Augenbrauen hochziehen heißt Fragezeichen.
»Ich hol sie dir. Wirst schon sehen, was du davon hast«, sagt er hübsch lächelnd und geht raus.
»Pfleger Peter holt die bei Ihnen ab. Nicht jemand anderem geben. Danke.«
Ich habe Glück mit meinen Pflegern. Mir sind die viel lieber als die Schwestern.
Ich liege hier rum und warte auf Peter.
Draußen ist es dunkel. Ich spiegele mich in der Scheibe. Mein Bett ist sehr hoch, damit das Pflegepersonal beim Patientenheben keine Rückenbeschwerden bekommt. Und die Glasscheibe geht von rechts nach links über die ganze Seite und von ganz oben bis fast ganz unten, bis zur Heizung runter. Ein Riesenspiegel, wenn es draußen dunkel ist und im Zimmer hell. Ich hätte den Fotoapparat gar nicht gebraucht, oder? Ich drehe meinen Arsch zur Scheibe und meinen Kopf so weit ich kann in die gleiche Richtung. Sehe aber alles nur verschwommen. Klar. Ist ja Doppelverglasung. Das reflektiert zweifach, leicht verschoben. War doch gut, den Fotoapparat zu haben. Wenn es dunkel ist, könnte ich aber mit dem Arsch zur Tür gedreht liegen und trotzdem sehen, wer reinkommt, ohne mich umzudrehen. Das find ich gut. Kann mich jetzt gerade jeder von draußen sehen? Ach, egal. Die wissen ja, dass das ein Krankenhaus ist. Ist von außen nicht zu übersehen. Zur Not denken die, da ist ein armes irres Mädchen, das unter Tabletteneinfluss ihren Arsch Richtung Fenster streckt, und haben Mitleid. Sehr gut.
Ich werde hier im Krankenhaus ganz FKK-mäßig. Sonst bin ich gar nicht so. Also, was Muschikram angeht, schon. Immer. Aber nicht, was Arschsachen angeht.
Ich liege hier so rum, und weil mir der Arsch so wehtut und jede Bewegung, bedecke ich mich nicht mehr. Jeder kommt rein, sieht meine klaffende Fleischwunde und ein Stück meiner Pflaume. Da gewöhnt man sich schnell dran. Nix ist mehr peinlich. Ich bin Arschpatientin. Das sieht man, und so benehme ich mich auch.
Dass ich in Muschisachen so gesund und in Arschsachen normalerweise so verkrampft bin, liegt daran, dass meine Mutter mir ein Riesenkackaproblem angezüchtet hat. Als ich ein kleines Mädchen war, hat sie mir oft gesagt, sie gehe nie groß auf Toilette. Sie müsse auch nie furzen. Sie behalte alles innen, bis es sich auflöst. Kein Wunder dann alles!
Wegen solchen Erzählungen schäme ich mich total, wenn jemand mich auf Klo hören oder riechen kann. Auf einer
öffentlichen Toilette, auch wenn ich nur pinkele oder mir beim Untenrum-Muskeln-Loslassen ein Furz entwischt, werde ich um jeden Preis verhindern, dass die Frau in der Kabine neben mir das Gesicht zum Geräusch zu sehen
bekommt. Genauso benehme ich mich auch bei meinem
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