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Feuchtgebiete: Roman (German Edition)

Feuchtgebiete: Roman (German Edition)

Titel: Feuchtgebiete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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Kackageruch. Wenn reges Kommen und Gehen in den Kabinen neben mir herrscht und ich rumgestunken habe, bleibe ich so lange ruhig in meiner Kabine, bis kein Zeuge mehr da ist. Dann erst trau ich mich raus.
    Wie eine Kackakriminelle. Meine Klassenkameraden lachen mich für diese übertriebene Schamhaftigkeit immer aus.
    Ich ziehe mich auch nicht einfach so in meinem Zimmer um. Da hängen überall Poster von meiner Lieblingsband. Und weil sie beim Fotomachen alle in die Kamera geguckt haben, hat man nachher das Gefühl, die verfolgen einen mit ihren Blicken. Wenn ich mich also in meinem Zimmer umziehen will und die dabei einen Blick auf meine Muschi oder Titten erhaschen könnten, versteck ich mich hinter meiner Couch. Bei echten Jungs und Männern ist mir das egal.
    Es klopft. Peter kommt rein. Er legt mir den Pizzakarton auf den Metallnachtschrank und stellt die beiden Flaschen einzeln und langsam und etwas zu laut daneben. Passt alles so gerade drauf.
    Er guckt mir dabei die ganze Zeit in die Augen. Ich gucke zurück. Das kann ich gut. Ich glaube, er freut sich, ungefähr Gleichaltrige pflegen zu dürfen. Ist doch schön für ihn.
    »Willst du ein Bier abhaben?«
    »Das ist sehr nett. Aber ich habe Dienst. Wenn ich hier mit einer Fahne rumlaufe, ist die Hölle los.«
    Ich hasse es, wenn jemand nein zu mir sagt. Hätte ich auch selber drauf kommen können, dass er nicht darf. Peinlich. Wir sind hier im Krankenhaus, Helen, nicht im Puff.
    Sein Blick wandert weg. Guckt er raus? An mir vorbei? Ach, nein, bestimmt das Spiegelbild von meiner Pflaume. Draußen kann man doch gar nichts sehen. Sehr schön. Seine Nachtschicht fängt schon mal gut an. Mit Peter verstehe ich mich auch.
    »Danke schön. Ich ess dann mal.«
    Er geht raus. Ich packe meine Pizza aus und gucke sie an. Ich überlege, wie ich sie ohne Besteck essen soll, die Typen von Marinara haben noch nicht mal Tortenritze reingemacht mit ihrem Pizzaroller. Soll ich sie wie ein Tier in Stücke reißen? Plötzlich kommt Peter wieder rein. Mit Besteck. Und geht grinsend wieder raus. Und kommt noch mal rein. Was ist denn jetzt schon wieder? In der Hand hält er einen Plastikbeutel mit Papieraufkleber dran. Da ist was draufgeschrieben.
    »Auf dem Beutel steht, dass ich dir den geben soll. Hat wohl was mit der Operation zu tun. Weißt du da was von? Haben die was bei dir gefunden und wollen es jetzt zurückgeben?«
    »Ich wollte den Keil sehen, nachdem sie ihn mir rausgeschnitten haben. Kann doch nicht sein, dass die mir was wegschneiden, wenn ich bewusstlos bin, und ich das gar nicht zu sehen bekomme, weil es sofort auf dem Müll landet.«
    »Apropos Müll. Es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass dieser Beutel mit Inhalt in den Spezialkrankenhausmüll gelangt.«
    Aufträge nimmt Peter sehr ernst. Er spricht dann so hochgestochen. Statt »gelangt« kann man auch »kommt« sagen. Dann wirkt man auch eher wie ein Mensch und nicht wie ein Roboter, der alles nachplappert. Er gibt mir den Beutel und geht nicht raus. Ich mache ihn aber nur alleine auf. Ich halte den Beutel in meinen Händen und gucke Peter so lange an, bis er hier rausgeht. Meine Pizza wird immer kälter. Egal. Das ist jetzt wichtiger, außerdem habe ich gehört, dass echte Gourmets nie etwas ganz heiß essen, weil man sonst nicht den idealen Geschmack wahrnehmen kann. Ganz heiße Suppen schmecken nach nichts. Trifft bestimmt auch auf Pizza zu. Wenn man sehr schlecht gekocht hat, serviert man es einfach, so heiß es geht, und keiner merkt, dass es nicht schmeckt, weil alle ihre Geschmacksknospen verkokelt haben. Das gilt auch für das andere Extrem: kalt. Man trinkt ja auch ekelhafte Getränke so kalt wie möglich, damit man es überhaupt runterkriegt, wie Tequila.
    Der Beutel ist durchsichtig und mit diesem Plastikschienensystem verschlossen. Mit einem kleinen Ruck geht die Tüte auf. Darin ist ein weiterer Beutel, nur eine Nummer kleiner und nicht durchsichtig, sondern weiß. Ich kann fühlen, dass da das rausoperierte Stück drin liegt. Ohne weitere Verpackung. Wenn ich das jetzt so raushole, gibt’s eine Riesensauerei hier im Bett. Ich reiße den Deckel vom Pizzakarton ab. Das geht sehr einfach. Ist nämlich der Länge nach perforiert. Wahrscheinlich extra für solche Gelegenheiten. Wenn man einen geeigneten Untergrund für ein blutiges Stück Fleisch im Bett braucht. Ich lege den Pappdeckel unter den Beutel auf meinen Schoß. Brauche ich Gummihandschuhe, um das Stück rauszuholen? Nein. Ist ja aus

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