Feuchtgebiete: Roman (German Edition)
Boden unter beiden Füßen habe. Es fängt langsam an zu zwicken. Da hat der Betäuber mich doch vor gewarnt. Da kommt es schon. Ich gehe langsam im Entengang zum Duschraum, hebe mein Hemdchen hoch und pinkel im Stehen, wie es sich für eine richtige Arschpatientin gehört. Abziehen muss ich nicht. Geht ja eh niemand anders drauf als ich. So kann man Hygieniker auch ärgern. Vom Waschbecken nehme ich das Glas, das zum Ausspülen nach dem Zähneputzen gedacht ist, und fülle es bis über den Rand mit Wasser. Papa hat mir mal erklärt, dass Wasser bis über den Rand stehen kann, wegen der Oberflächenspannung oder so. Ich kriege es nicht mehr zusammen. Werde ihn noch mal fragen, wenn er kommt. Hab ich schon mal ein gutes Gesprächsthema vorbereitet. Muss man bei dem. Über solche Sachen unterhält er sich gerne und lange. Da gibt es keine peinlichen Gesprächspausen.
Ich trinke das Glas in einem Zug leer. Auch mal gut. Stilles Wasser, nicht immer nur Sprudel.
Ich lasse mein Hemdchen hochgebunden. Ich will aus Scham nicht, dass meine Klassenkameraden mich besuchen, aber alle hier dürfen mich den ganzen Tag lang entblößt angucken. Ach, was die schon alles gesehen haben hier, bestimmt. Vom Duschzimmer aus gehe ich nicht wieder zum Bett, sondern auf den Flur. Da stehe ich ein bisschen und gucke rum. Ich habe doch auf dem Weg in die Cafeteria gesehen, dass es hier im Flur eine kleine Sitzecke gibt, für Besuch. Wo man sich selber Tee kochen und aus
einer großen Kanne Kaffee rausspritzen kann. Da stand ein großer Turm von aufeinandergestapelten Wasserkästen. Bestimmt zur Selbstbedienung gedacht, hoffentlich. Ich probier es mal. Für die Kerngläser brauch ich nämlich mehr als eine Flasche. Und die Schwestern bringen einem immer nur eine neue Flasche, wenn die letzte leergetrunken ist. Das ist mir zu aufwendig, mehrmals eine Schwester laufen zu lassen. Ich gehe zu der Sitzecke. Da sitzt eine Familie und unterhält sich ganz leise. Sollten sich die Krankenschwestern mal ein Beispiel dran nehmen. Einer der Männer in der Gruppe hat Schlafanzug und Bademantel an. Das zeichnet ihn in meinen Augen als den Arschpatienten der Runde aus. Ich habe keine Lust zu grüßen. Nehme mir drei Sprudelflaschen aus dem oberen Kasten und gehe wieder zurück. Ich kann hören, dass meine Rückansicht für große Aufregung in der Familienrunde sorgt. Freut euch. Ich gehe, so schnell ich kann, zurück in meine geschützte Höhle.
Ich quetsche mich zwischen Fensterbank und Bett durch bis in die hinterste Ecke, ohne dass mein Arsch was berührt. Dorthin, wo ich mit der Bibel mein Avocadokerngewächshaus gebaut habe. Abgeschirmt vom Blick der Ärzte und Krankenschwestern und von Robin. Obwohl, Robin dürfte das sehen. Dem zeige ich das mal. Er hat schon viel gesehen. Der könnte auch noch mal Fotos von meinem neuen Arschzustand machen, fällt mir grade ein.
Ich hebe die Bibel vorsichtig hoch und fülle alle Gläser neu auf. In der Sonne hier auf der Fensterbank verdunstet das Wasser ziemlich schnell. Brauchst nicht zu denken, dass du nichts zu tun hast, Helen. Es gibt hier Lebewesen, die auf dich angewiesen sind. Kannst dich ruhig mal ein bisschen ranhalten mit dem Gießen. Manche Kerne liegen schon auf dem Trockenen, und du denkst, dir ist langweilig, tststs. Die sehen aber alle noch gut aus. Manchmal fängt mir der ein oder andere an zu schimmeln, und ich muss mich von ihm trennen, obwohl er mich bis dahin schon so viel Mühe gekostet hat. Bei den meisten guckt noch nicht mal die Wurzel unten raus. Einer hat sich aber selbst gespalten, und ein anderer hat unten schon die Wurzel rauswachsen. Mit meinen Kernen läuft es sehr gut. Alle gesund. Ich falte die Bibel wieder auf und schirme die Kerne damit ab.
Ich möchte gerne noch etwas hier stehen bleiben. Von hier sieht das Zimmer ganz anders aus.
Bis jetzt habe ich meistens den Blick vom Bett aus gehabt. Von hier wirkt das Zimmer viel größer. Ich stehe ja auch in der allerhintersten Ecke. Mit aller Kraft schiebe ich das Bett ein paar Zentimeter in den Raum und lasse meinen Oberkörper die Ecke entlangrutschen, bis mein Arsch den Boden berührt und meine Beine so stark angewinkelt sind, dass die Knie das Brustbein berühren. Ich fühle den kalten Linoleumboden an meiner Pflaume und an den Arschbacken. Ich weiß gar nicht genau, ob es Linoleumboden ist, sagt man aber immer so, dass es den im Krankenhaus gibt. Diese Haltung spannt zu sehr am Arsch. Ich muss meine Beine gerade machen und
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