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Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Titel: Feuer der Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Simon
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und anderes Getier achten; sein Wasser war stets ein wenig trüb, und es roch erdig, manchmal sogar wie die Latrine hinter Tzozics Gasthaus.
    »Bist du fertig?« Die Priesterin kam zierlichen Schrittes die Stufen herunter und faltete ein dickes Tuch auseinander. Naave stieg heraus und ließ sich darin einhüllen. Es war weich wie ein Lufthauch und sauber wie eine Wolke im Sonnenlicht. Auch das Kleid, das ihr die Priesterin reichte, war von solch hellem Weiß.
    Vor ihr bewegte sich ein Schatten über den Boden und verschwand. Ihr Kopf fuhr hoch. Hatte jemand schamlos ihr Bad beobachtet? Naave wollte sich bei der Priesterin beschweren, doch die lud sie mit einer freundlichen Geste ein, ihr zu folgen, und wandte sich ab.
    Dieses Mal war der Weg kurz. Eine Halle tat sich vor ihr auf, die an der gegenüberliegenden Seite zu einer Terrasse hinausführte. Nichts als ein langer Tisch aus dunkel poliertem Macacoholz befand sich hier, dazu zwei Stühle.
    Auf dem Tisch türmten sich Schalen, Platten und goldene Kannen. Köstlicher Essensduft ließ Naaves Magen knurren.
    »Warte hier«, bat die Priesterin. »Gleich wird der Hohe Priester erscheinen und …«
    »Der Hohe Priester?« Naave fuhr zu ihr herum. »Der Hohe Priester? Ich kriege die Belohnung aus der Hand des …«
    »Belohnung?« Die Priesterin lächelte verlegen. »Darüber weiß ich nichts.« Sie verabschiedete sich, indem sie den Kopf neigte, und ging hinaus.
    Naave sagte sich, dass sie eine niedere Priesterin war und deshalb keine Ahnung hatte. Sie wollte auf die Terrasse hinaus, um herauszufinden, wo sie sich befand, doch die Leckereien auf dem Tisch erwiesen sich als stärker. Hier warteten duftende Fladenbrote, süßes Gebäck, in Fett gebratene und in gerösteten Nüssen gewendete Manoqröllchen, Almarakäse, eine Rogenpaste, die schwer zu beschaffen und darum unbezahlbar war, wie Naaves geübtes Auge sofort erkannte. Kleingehacktes Schlangenfleisch schwamm in roter Xoxolasoße. Das Ungewöhnlichste jedoch war ein gebratener Vogel, dem man das schillernde Gefieder wieder auf die Kruste gesteckt hatte.
    Vorsichtig zog sie einen Flügel ab und entfernte die Federn. Er war noch warm und knusprig. Naave seufzte auf, als sie hineinbiss. Zarte und wunderbar gewürzte Fische kannte sie aus dem Fliegenden Axot, doch Geflügel zuzubereiten war eine Kunst, auf die auch Tzozic sich nicht recht verstand. Sie riss noch ein großes Stück aus dem Braten und verschlang es; der Saft lief ihr die Arme hinab. Und diese stachligen Meqa-Früchte und der Quark, der nach dem Mark der Vaiiaschote duftete, oh, das alles war so unglaublich teuer auf dem Markt …
    »Ich hatte gehofft, wir speisen gemeinsam.«
    Naave hustete. Ein Mann kam auf sie zu, langsam und beinahe vorsichtig, als könne sie fortflattern wie ein Schmetterling, wenn er sich zu rasch bewegte. Ebenso langsam griff er zwischen die Schalen und förderte ein Tuch zutage, das er ihr über den Tisch hinweg reichte. Naave wischte sich Arme und Hände sauber. Sie war sicher, im Gesicht so rot wie die Meqas dort zu sein.
    »Ich bin Tlepau Aq«, er legte eine schmale beringte Hand auf die Brust. Um seine Schultern lag ein kurzärmeliger Mantel aus weißer Teotlihua-Seide, der vorne offen stand und eine schlaksige, hochgewachsene Gestalt enthüllte. Um den Hals trug er einen breiten Kragen aus Goldperlen und grünen und roten Federn. Seine grauen Haare waren kurz geschoren, die von Falten umrahmten Augen mit schwarzer Paste und Goldstaub geschminkt. Schwere Sonnenscheiben aus Gold steckten in seinen geweiteten Ohrläppchen.
    Es war wirklich der Hohe Priester. Jahr für Jahr hatte sie ihn während des Festes oben auf der Opferbrücke stehen sehen.
    Sich genüsslich die Finger reibend, setzte er sich auf die andere Seite des Tisches und langte nach einer Meqa. »Das sieht gut aus, nicht wahr? Iss nur weiter, Naave.«
    Geschmeidig hantierte er mit einem Messerchen. Roter Saft quoll über seine Finger. Dieselben Finger, die alljährlich das Ritualmesser in den Leib der Menschenopfer stießen. Naave bemühte sich, woandershin zu sehen. Dort in die Ecke, wo in einer Schale ein Bäumchen wuchs, das von einer durchsichtigen Schlingpflanze umrankt wurde. Es wäre nicht weiter bemerkenswert, wären sie nicht von überaus gleichmäßigem Wuchs.
    »Weißt du, was das ist?«, fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Eine Baumuhr.«
    »Oh.« So also sah eine Baumuhr aus?
    »Der Setzling dieser Pflanzenart wird am Fuß eines solchen

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