Feuer der Götter: Roman (German Edition)
Goldenen Bergpalast, den sein Vater ihm erbaute. Er weinte Feuertränen über seine Einsamkeit – aus den erkalteten Tränen erwuchs das Lavavolk. Man weiß nicht, ob es Götter oder schon Menschen waren; man weiß fast nichts von diesem Volk, denn es hat keine Zeugnisse hinterlassen. Man weiß nur, dass sie über eine besondere Gabe verfügten: Sie konnten aus sich selbst Licht und Feuer erschaffen. Und ihnen entstammten die vierzehn Götter. Weißt du auch, wie sie entstanden?«
»Toxina Ica besaß vierzehn Augen. Um die Monde entstehen zu lassen, holte er sie aus seinem Kopf und warf sie an den Himmel.«
»Das stimmt. Weißt du auch, wie es weiterging?« Sie schwieg, und er fuhr fort: »Danach war er so geschwächt, dass der Tod in die Welt kam. Um den Tod abzuwehren, erbat Toxina Ica von seinem Vater zwei neue Augen. Iq-Iq erfüllte den Wunsch. Toxina Ica verjagte den Tod in die Unterwelt, von wo dieser seitdem seinen Schattenhauch aussendet, um Sterbende zu holen. Iq-Iq sagte zu seinem Sohn: ›Nun bist du der Gott-Eine, und ich bin hinter dem Himmelsbogen. Du bist die Sonne.‹ Aus allem, was der Körper des Einen verlor – Haare, Hautschuppen, Wimpern, Nägel –, erwuchs das, was wir heute sehen: die Tiere, der Wald, das Wasser, das darin fließt. Ein anderes Volk entstand, das der Waldmenschen. Das Lavavolk ging in ihm auf. Doch ab und zu erbt ein Angehöriger des Waldvolks die alte Feuergabe der Lavaleute. Er ist dann auserwählt, als zukünftiger Gott dem Gott-Einen zu dienen, und muss unter Schmerzen seinen Körper schulen – nur scharfer Schmerz erzeugt das Feuerlicht.«
»Dann ist dein Inneres gar nicht aus … aus Lava?«
Er drehte sich kurz um und lächelte kühl. »Ich bin ein Gott aus Fleisch und Blut.«
Auch für seinen Hochmut hasste sie ihn, o ja.
»Wenn der Gott-Eine einen Erwählten zu sich auf den Berg ruft, nimmt er ihm die Schmerzen«, erzählte er weiter. »Er wird belohnt mit einem langen Leben in Herrlichkeit. Sein Feuer und das der anderen Götter wärmt den Berg in seinem Innern und nährt die Macht des Einen, der dem Land Fruchtbarkeit schenkt. Das zumindest hat man mir erzählt, aber … Tritt nicht darauf.«
»Was?«
Naave blickte auf ihre Füße. Dicht vor ihren Zehen wölbte sich das Moos, als sei eine Kugel darunter vergraben. Eine lebendige Kugel.
»Ist das gefährlich?« In Gedanken sah sie giftige Säfte aufspritzen und sie von Kopf bis Fuß einhüllen, wenn sie dieses Ding auch nur berührte.
»Eigentlich nicht. Aber wenn darunter ist, was ich vermute, ein bestimmter Pilz, wird man den Juckreiz nie mehr los, sobald man ihn berührt hat. Zumindest ist das bei denen im Lichtwald so, die unter Astgabeln wachsen. Es könnte aber auch etwas ganz anderes sein; hier unten …«
Naave schob sich an ihm vorbei und stieg über die pulsierende Kugel hinweg. Nach ein paar Schritten spürte sie seine Hand auf der Schulter. Er zwang sie, ihn anzusehen.
»Ich habe dich nicht gerettet, damit du nur wegen deines Trotzes dein Leben aufs Spiel setzt«, wies er sie scharf zurecht. Seine Glutaugen funkelten.
Sie riss sich von ihm los, blieb aber stehen, bis er an ihr vorbei war und sie wieder hinter ihm lief. Ihr Gesicht brannte. Was glaubte er denn? Dass sie ein hilfloses Stadtmädchen war, das sich nur auf Straßen zurechtfand?
Plötzlich streckte er einen Arm aus, so dass sie fast dagegenprallte. Was war denn jetzt schon wieder?
»Das Kanu«, sagte er leise. »Ich fürchte, es hat einen anderen Besitzer gefunden.«
Naave brauchte ewig, bis sie das Boot im Wirrwarr der Farne, zwischen grünbemoosten Wurzeln riesiger Bäume und Buschwerk, in dem dicht an dicht peccafarbene Beeren wuchsen, wiederentdeckte. Es lag eingebettet zwischen den mannshohen Stützwurzeln eines Anguas. Ein Tier drehte sich darin – ein Fellknäuel groß wie ein Hausschwein, nur dass dieses Fell aus unzähligen Stacheln mit roten Spitzen bestand. Seine drei Schwänze tanzten umeinander wie im Spiel. Grunzend wühlte das Tier im Boot herum, hockte sich mal hierhin, mal dorthin. Endlich rollte es sich zusammen, die Stacheln zum Schutz aufstellend.
»Kann man es verjagen?«, fragte Naave. »Oder kann es etwa auch seine Stacheln verschießen wie diese Pflanze?«
»Verjagen könnten wir es wohl«, erwiderte der Dämon achselzuckend. »Aber die ledernen Wände des Kanus haben es sicher nicht überstanden, zum Schlafplatz eines Izelos geworden zu sein. Diese Stacheln gehen durch alles außer
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