Feuer der Götter: Roman (German Edition)
hoch oben auf dem Bergpalast nicht auffallen, dass sie hier besonders oft vorkommen, wenn du verstehst, was ich meine …«
Naave berührte den Schädel. Er fühlte sich glatt und sauber an, was ihr in diesem Dorf voller Dreck ungewöhnlich erschien. Die Reißzähne glänzten wie poliert. Sie umfasste einen der Fänge und staunte über seine Größe. Ihr Daumen und ihr Zeigefinger berührten sich nur knapp.
Das Skelett lag auf der Seite; die einzelnen Knochen hatte man aneinandergelegt. Nicht so wie die Knochen all der anderen Axots, die man einfach zu Haufen geschichtet hatte.
»Es war das größte, das die Männer je getötet haben«, erklärte die Frau an Naaves Seite. Sie hatte sich als Xinaie vorgestellt – eine junge Frau mit langen, verfilzten Haaren und schwarzen, gesplitterten Nägeln, mit denen sie Fledermauskot von den Knochen kratzte. Sie hatte Naave in eine der hängenden Hütten geführt, als Naave gefragt hatte, ob sie die Höhle der Axots sehen dürfe. Zu ihrer Überraschung hatte sich hinter der Hütte ein Spalt aufgetan, der in eine große Kaverne führte. Die schwarz-rot gebänderten Wände gleißten im Licht einer Fackel, und Naave fühlte sich wie im Innern eines Schmucksteins. Ein wahrhaft würdiger Ort für die Skelette.
»Es hat fünf der Männer getötet«, berichtete Xinaie weiter. »Mein Gefährte war darunter.«
»Oh. Das …«
»Es muss dir nichtleid tun«, die Frau entblößte schiefe Zähne zu einem freudlosen Grinsen. »Er war ziemlich übel.«
Naave dachte, dass hier vermutlich jeder Kerl ein übler war. Aber sie verkniff sich, das zu sagen. »Und jetzt bist du allein?«
Xinaie schüttelte den zotteligen Kopf. »Jetzt gehöre ich Muhuatl.«
»Du? Wieso … Ich verstehe nicht. Oben bei Muhuatl ist doch ein anderes Mädchen; er hat gesagt, es sei seine Gefährtin.«
»Muhuatl ist ein Gott! Der nimmt sich, wen er will. Pemzics Sohn hat er auch.«
Tique! »Das ist ja widerlich! Und das hat Pemzic zugelassen?«
Die junge Frau kaute auf der Unterlippe. »Du solltest nicht so viel fragen. Und ich nicht so viel reden.«
Es war deutlich, dass sie sich danach sehnte, mit einer zu plaudern, die nicht zu den Frauen des Dorfes gehörte. Naave versuchte sie mit einem Lächeln zu ermuntern. »Ich kann fragen, aber auch schweigen«, meinte sie leutselig.
Xinaie kicherte. »Pemzic sagt, wenn du ihm gehören würdest, würde er dir die Zunge abschneiden, weil du so vorlaut bist.«
Dieser verlauste Affe! »Dazu ist der doch viel zu feige.«
»Siehst du, du redest, obwohl du noch gar nicht weißt, wie ich zu Pemzic stehe. Ich könnte ja seine Tochter sein.«
»Na und? Ich sage, wie es ist. Zu jedem, wenn es sein muss. Außerdem hättest du dann nicht so gleichgültig erwähnt, dass dein Bruder die Hängematte von Muhuatl teilen muss.«
Die Frau schüttelte den Kopf. Ihre hellbraunen Augen blitzten. »Ich weiß, dass du ihm so etwas sagen würdest. Allein dass du nachts aus dem Käfig ausgebrochen bist! Keine Frau hier würde so etwas für ihren Gefährten wagen.«
»Mein … Du meinst Royia? Den Dä… den Erwählten? Der ist doch nicht mein Gefährte!«
»Nicht? Ich dachte … so, wie du ihn immer ansiehst.«
»Wie sehe ich ihn denn an?«
»Na, als wärst du seine Gefährtin. Sagte ich doch.«
Bei allen vierzehn Göttern! Die Frau musste Tumi-Bohnen auf den Augen haben. Und zwar die schwarzen, die ganz besonders großen. Naave wollte von etwas anderem reden. »Du wolltest erzählen, warum Pemzic Muhuatl aus der Hand frisst, hm?«
»Ja, das war so …« Xinaie nahm einen staubigen Flussschwamm und rieb damit über die Knochen des Axots. »Vor langer Zeit wurde Pemzic von einer riesigen Cijac angegriffen. Als Jäger taugt er nämlich auch nichts. Muhuatl vertrieb die Bestie und verlangte dafür, dass Pemzic ihm Obdach gewährte. Pemzic versprach es ihm in die flammende Hand; er hoffte natürlich, dass Muhuatl künftig die Nahrungsbeschaffung für den Stamm erledigen würde. Der Cijacbraten war jedenfalls ein prächtiges Festmahl. Das Fell, das Pemzic trägt, gehörte der Katze.«
Naave war noch ganz gefangen von der Bemerkung, sie habe Royia wie ihren Gefährten angesehen. Zugegeben, ein wenig Stolz hatte sie während des Kampfs empfunden. Dieses geballte Gefühl im Magen, ganz ähnlich wie jenes, wenn sie auf dem Markt ein besonders gut duftendes Brot stahl. Eine aufregende Mischung aus Furcht und Vorfreude.
»Aber es kam nicht so, wie er es sich erhofft hatte«,
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