Feuer der Götter: Roman (German Edition)
werden. Er zwang die Augen auf – und zuckte unter dem Blick einer Frau zusammen, die über ihn gebeugt stand.
»Naave?«, krächzte er. Was war mit seiner Stimme? Sie klang nicht nur wie ein schartiges Messer, sie fühlte sich auch so an. Was war geschehen?
Das Mädchen biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. Nein, dieses verlauste zottelige Ding glich Naave in keiner Weise, wenngleich die vorlaute Stadtfrau zuletzt nicht minder zerzaust gewesen war. Sie hatten alle ein Bad nötig … Dieses Mädchen gehörte zu Muhuatl, dem anderen Erwählten. Wie oft hatte sie auf seinen Befehl hin die Schalen mit Rauschtrank aufgefüllt? Es hatte gutgetan, sich aus der vertrauten Welt zu stehlen, die sich als so falsch entpuppt hatte. Nicht, dass Royia sich großartig erinnern konnte, was er in dieser Zeit getan hatte … mit Muhuatl geredet und sogar gelacht, ja, gelacht. Über die seltsamsten und belanglosesten Dinge. Egal. Solange es nicht länger um das Rätsel gegangen war. Um sein eigenes Schicksal, das auf seine Art so elend wie das des anderen war.
Er setzte sich auf. »Hast du Wasser?« Er musste diesen schalen, pelzigen Geschmack im Mund loswerden, sonst erbrach er sich an Ort und Stelle.
Warum war ihre Miene so von Schrecken erfüllt? Warum …
Blut. In ihrem Gesicht klebte Blut. In ihren Haaren. An ihren Fingern. Plötzlich einsetzender Regen verwandelte es in hellrote Schlieren, die harmlos wie Pflanzenfarbe an ihrer bleichen Haut hinunterrannen.
Schlagartig war er wach. Alles hatte sich verändert. Die Bastvorhänge der Hütte waren nur noch schwarze Reste, und die Palmblätter, mit denen das Dach gedeckt war, schwarze Rippen. Die Matten an den Wänden, ebenso Muhuatls Schlafplatz waren verschwunden; stattdessen häufte sich Asche auf dem angesengten Hüttenboden. Und er sah noch mehr Blut. Es konnte nicht das des Mädchens sein. Dann wäre sie tot.
»War – war ich das?« Royia kämpfte sich schwankend auf die Füße; er musste sich am geschwärzten Stamm des Manoqs festhalten. Er konnte nicht mehr verhindern, sich zu erbrechen. Danach fühlte er sich nicht besser, denn der Gestank von nasser Asche ließ ihn würgen. »War ich das?«, fragte er das Mädchen, schärfer diesmal.
Stumm schüttelte sie den Kopf.
Er wünschte sich, sie würde schreien und weinen. Er trat an den Rand der Hütte. Die Männer umstanden den Baum, und irgendwo außer Sichtweite, vermutlich in den hängenden Hütten, schluchzten einige Frauen und Kinder. Bei seinem Anblick hob Pemzic eine Axt, von deren bronzenem Blatt Blut troff. Auch aus seinem Gesicht war alle Farbe gewichen. Dann schien er ihn zu erkennen. Seine Armmuskeln zitterten, als er die Axt sinken ließ.
»Du lebst«, krächzte er. Sein Blick blieb an Royias Unterleib hängen.
Royia sah an sich hinunter. Er war nackt. Ein paar verkohlte Stofffetzen klebten an seiner Hüfte. Durch das Gerippe des Hüttenbodens sah er einen abgetrennten Arm.
»Töte ihn!«, schrie jemand, und weitere stimmten ein: »Töte ihn, töte ihn!«
Pemzic schüttelte den Kopf. Es war keine bestimmte Geste; eher drückte sie seine Unsicherheit aus. »Nein«, sagte er. »Er hat uns nichts getan.«
»Sieh doch, das Feuer ist über ihn hinweggefegt, ohne dass es ihm etwas ausgemacht hat. Er ist nicht einmal verletzt!«, rief ein kräftiger Mann. Royia meinte sich zu erinnern, dass dieser zu dem Trupp gehörte, der ihn und Naave aufgelesen hatte. »Er wird sich zu unserem Herrn aufschwingen, wie der andere.«
»Dann bringe ich ihn ebenfalls um.«
Royia presste die Handballen gegen die Augen, um Klarheit in seinen Kopf zu bekommen. Er hatte getrunken, so viel stand fest. Was hieß getrunken? Er hatte den Rauschtrank haltlos in sich hineingeschüttet. Die ersten zwei, drei Schalen waren bitter gewesen. Aber irgendwann hatte das Zeug sämtlichen Widerwillen fortgeschwemmt. Er hatte es genossen … zu vergessen.
»Was ist passiert?«, fragte er.
»Muhuatl hat da drinnen gebrüllt wie eine angeschossene Cijac«, antwortete Pemzic. »Dann ging alles in Flammen auf. Ich habe ihm mit der Axt das Maul gestopft. Was ich längst hätte tun sollen.«
»Gebrüllt?«
Da Pemzic nur ärgerlich die Schultern hob, wandte sich Royia an das Mädchen – sie musste es wissen, sie war hier gewesen.
»Du hast ihn etwas gefragt, immer wieder«, sagte sie dumpf. »Er hat dauernd gesagt, er will nicht daran denken. Irgendwann habt ihr euch angeschrien.«
Er erinnerte sich schwach.
Sag mir,
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