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Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Titel: Feuer der Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Simon
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den Wald irrte, verzweifelt, weil plötzlich alles anders war. Nur wegen dieser Botschaft. Welcher Gott hättest du werden sollen?«
    »Tique.«
    »Ah! ›Gott der Diebe‹ klingt auch nicht gerade erstrebenswert, was?«
    Royia ging nicht darauf ein. »Verstehe ich das richtig, auch du hast die Botschaft bekommen?«
    Muhuatl lachte, es klang schaurig und bitter. »O ja. Weißt du, welcher Gott ich hätte werden sollen? Hzitzapoqoqotli, der Fledermausgott! Den man sich als kleinen Gnom mit großen Ohren vorstellt, was er ja irgendwann einmal gewesen ist. Ausgerechnet ich! Ich überrage doch die meisten Männer um einen halben Kopf! Toxina Ica hat Humor, was? Wie auch immer, einen Tag, bevor ich gehen sollte, kam so ein Kerl und drückte mir ein Kerbzeichenholz in die Hand. Ich hatte ziemliche Mühe, es zu lesen; ich hatte mich in dieser Kunst nie hervorgetan. Das ist etwas für Priester und Frauen. Aber ich las es.«
    Er neigte sich vor, starrte in die Schale. Von einem Moment auf den anderen schien er um Jahre zu altern. Diese Gestalt, die so bemitleidenswert in ihrer Hängematte kauerte, hatte ebenfalls jene Worte gelesen. Worte, die ein ganzes Leben zerstörten.
    Eine ganze Welt.
    Was ist das Leben wert, wenn man dem Gott-Einen nicht mehr trauen kann? Wenn man nicht weiß, was sich dort oben auf dem Bergpalast abspielt? Wenn alles nicht so ist, wie man es gelehrt wurde?
    Man konnte diese Fragen nicht stellen, ohne über die Möglichkeiten wahnsinnig zu werden. Irgendwie hatte Royia es bisher geschafft, all dem nicht ins Gesicht zu blicken. Er hatte sich willig von der Gefahr ablenken lassen. Aber dieser Mann dort, ahnte er, der hatte sie sich gestellt. Mehr als einmal. Er hatte lange genug überlebt, um darüber nachzugrübeln, wieder und wieder …
    »Hast du je erfahren, wer dir das Kerbzeichenholz geschickt hat?«, fragte Royia.
    Muhuatl schüttelte den Kopf, doch es schien keine Antwort zu sein, eher so, als wolle er verhindern, dass sich die Erinnerungen wieder einnisteten. »Lass uns morgen darüber reden. Mir ist schon jetzt der Mund trocken.«
    »Morgen brennt vielleicht der Wald. Nein.«
    Der andere Erwählte rieb sich durch die filzigen Haare. Irgendein kleines Insekt sprang heraus. »Also gut. Ich sehe ja ein, dass es dich drängt, alles zu erfahren. Aber es ist so schwer, so schwer … Zsonee, bring mir noch zu trinken.«
    Das Mädchen gehorchte und sorgte für Nachschub. Mittlerweile erfüllte säuerlicher Dunst die Hütte. Muhuatl schüttete zwei Schalen in sich hinein, schlug sich auf die Brust und stieß auf, was den Geruch noch verschlimmerte. Royia bemerkte, dass Naave ihre interessante Nase hinter der Hand verbarg.
    »Ich lief zum Baum der Erkenntnis «, begann Muhuatl, ins Leere stierend. »Und fand …« Er stockte. Ein gequältes Rasseln kam aus seiner Brust.
    »Dein Axot?«
    »Mein Axot? Nein. Tief unten, am Fuße des Baums, sah ich meine Liebste. Ich dachte noch: Warum tut Napati etwas so Scheußliches und läuft auf dem Boden des Unterwaldes? Aber sie lief nicht, sie taumelte. Ich ließ mich zu ihr hinunterfallen, so schnell ich konnte; ich brach mir fast die Knochen dabei. Ihr Gesicht war verklebt von Palmöl. Das goldene Nussöl der Sonnenpalme – du kennst die Wirkung?«
    Royia nickte. Er hatte sie im Tempel am eigenen Leib erfahren.
    »Es war so viel, so viel!« Muhuatl schleuderte die Schale von sich; die Neige spritzte auf das Gesicht des Mädchens, das sich ängstlich an die Wand drückte. Er raufte sich die Haare, rieb sich fahrig das Gesicht. »Sie wollten sie … so sehr betäuben, dass sie starb! Aber irgendwie war Napati doch herausgekommen. Sie war nämlich ein zähes, unbeugsames Mädchen. Sie stammelte unverständliche Dinge, erkannte mich gar nicht. ›Ich will ihm nach‹, sagte sie nur immer wieder. Sie starb in meinen Armen.«
    Neben Royia keuchte Naave entsetzt auf.
    »Ich musste sie liegen lassen und fliehen. Im Wald brauchte ich Tage, bis ich mir zusammengereimt hatte, was geschehen war. Sie hatte immer gesagt, dass sie mir durch den Jadegang folgen würde, wenn es so weit wäre. Heimlich notfalls. Ich hatte das immer für einen Scherz gehalten. Aber entweder hatte sie den Toxinacen damit in den Ohren gelegen, oder sie versuchte tatsächlich, den Gang zu betreten. Und da haben sie Napati …«
    Er heulte in seine Hände.
    … aus dem Weg geräumt, ergänzte Royia in Gedanken. Dunkel meinte er sich an die Geschichte zu erinnern, dass eine Angehörige eines

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